Bei einigen Nierenkranken reicht der Schutz der ersten beiden SARS-CoV-2-Impfungen nicht aus

Nierentransplantierte Patientinnen und Patienten müssen auch weiterhin vorsichtig sein sowie auf Abstand- und Hygieneregeln zum Infektionsschutz achten. Dies gilt auch, wenn sie bereits zwei Mal geimpft sind. Das hat eine Auswertung von Patientendaten aus 26 sächsischen Dialysezentren ergeben. Mit dem Beginn der Pandemie hatten alle Dialysezentren ein Netzwerk unter Leitung von Prof. Christian Hugo, Leiter Nephrologie in der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, gebildet und begonnen, Dialysepatientinnen und -patienten, Nierentransplantierte sowie medizinisches Personal in den Zentren zu beobachten. Die kürzlich in „The Lancet Regional Health“ publizierten Zahlen belegen nicht nur ein höheres Risiko der Betroffenen, an einer Covid-19-Infektion schwer zu erkranken und an den Folgen zu sterben. „Wir sehen auch, dass immunsupprimierte Patientinnen und Patienten eine deutlich eingeschränktere Immunantwort auf die Impfung zeigen“, sagt Prof. Hugo. Deshalb sollten Betroffenen den Antikörperstatus testen lassen und gegebenenfalls eine dritte Impfung erfolgen.

Von 5.000 Dialysepatientinnen und -patienten in Sachsen sind knapp 900 in den vergangenen anderthalb Jahren an Covid-19 erkrankt. Jeder Fünfte davon ist gestorben. Von den 1.000 sächsischen Nierentransplantierten sind mindestens 50 erkrankt, jeder zehnte verstarb. „Diese Zahlen sind alarmierend. Deshalb haben wir uns bereits sehr früh für einen umfassenden Schutz der Betroffenen eingesetzt“, sagt Prof. Hugo. Aufgrund dieser alarmierenden Erkrankungsdaten hat das Dresdner Uniklinikum aus dem Sozialministerium, der Sächsischen Landesärztekammer, dem DRK sowie der Sächsischen Impfkommission Unterstützung für eine Impfpriorisierung der Dialysepraxen erhalten. Das Sozialministerium entwickelte sogar eine richtige Impfkampagne, in der alle sächsischen Dialysezentren zu „Impfzentren“ wurden und binnen kürzester Zeit ihre eigenen Patientinnen und Patienten selbständig „durchimpften“. Diese idealen Bedingungen wurden dann von Prof. Christian Hugo und Dr. Julian Stumpf gemeinsam mit dem Dialysenetzwerk und Forschenden der Bochumer Universität für eine der umfassendsten Beobachtungsstudie zur Immunitätsbildung von nierenkranken Menschen genutzt, in der die Immunantwort und der Schutz der Impfungen untersucht wurde. Das Ergebnis gibt erneut Grund zur Sorge: Nur bei 42 Prozent der Nierentransplantierten ließ sich ein ausreichend hoher Antikörperspiegel nachweisen, der zuverlässig vor einer Infektion sowie einem schweren Verlauf schützt. Dieses Ergebnis gibt einen Hinweis darauf, warum es durchaus vorkommt, dass doppelt geimpfte Personen schwer erkranken. Grund für den geringen Impfschutz – so die Annahme der Medizinerinnen und Mediziner – ist die Einnahme von einem oder mehreren Immunsuppressiva-Präparaten, die nach einer Nierentransplantation unerlässlich ist. Aber auch bei anderen Erkrankungen werden diese verordnet, etwa bei Rheuma sowie Autoimmunerkrankungen.

„Wir haben eine deutlich verminderte Impfantwort bei nierentransplantierten Patientinnen und Patienten gesehen, so dass in dieser Hochrisikogruppe zusätzliche Booster-Impfungen erforderlich sind“, sagt Prof. Christian Hugo, Leiter Nephrologie in der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Die Empfehlung des Experten: Immunsupprimierte Personen sollten unbedingt mit einem Test ihren Impfschutz überprüfen lassen. Dies ist über eine Blutabnahme problemlos möglich. Sollte sich dabei ein geringerer oder fehlender Schutzstatus zeigen, sei die dritte Impfung notwendig. Dies werde mittlerweile auch von offizieller Seite empfohlen. „In der Tat gibt es erste Daten, die zeigen, dass die Gabe einer dritten Dosis bei transplantierten Patientinnen und Patienten die Impfantwort deutlich verbesserte.“ Für die Studie wurden über 3.100 Menschen in 26 der 36 sächsischen Dialysezentren beobachtet und getestet. Darunter ist auch medizinisches Personal sowie – mit über 2.000 Personen die größte Gruppe – Dialysepatientinnen und -patienten. „Hier konnten wir nach der zweiten Impfung bei 95 Prozent der Dialysepatientinnen und -patienten ausreichend Schutz nachweisen“, sagt er.

In Eigenregie und ohne Finanzierungszusage gestartet soll die Studie nun bis Ende 2022 fortgeführt werden. Dafür wurden Anschub- und Folgefinanzierung durch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und die Else Kröner Fresenius Stiftung zugesagt. Die Medizinerinnen und Mediziner erhoffen sich dadurch auch Aussagen über die Wirksamkeit der dritten Impfung. Des Weiteren werden wichtige Daten zum Nachlassen der Immunantwort nach Impfung und zum Schutz gegen mögliche neue Virusvarianten (zum Beispiel die Deltavariante) im Verlauf erwartet. Die Gesundheitsminister von Bund und Länder planen aktuell baldige Auffrischungsimpfungen für Risikogruppen. „Vor einer möglichen Umsetzung müssen wir aufgrund der vorliegenden Daten insbesondere nierentransplantierte Patientinnen und Patienten zur besonderen Vorsicht raten. Sie sollten im eigenen Interesse trotz vollständiger Impfung die Regeln des ‚social distancing‘ und die Hygieneregeln beibehalten“, sagt Prof. Hugo.

„Das Engagement der Hochschulmedizin Dresden im Rahmen der Beobachtungsstudie in Eigenregie Daten zu Risikogruppen zu sammeln und Dialysezentren einzubinden ist beispielhaft“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Universitätssklinikum Dresden. „Das Dresdner Uniklinikum steht für Impulse und mutiges Vorangehen bei vielen Projekten, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen. Dabei setzen wir auf enge Zusammenarbeit zwischen Medizin und Wissenschaft und wollen mit innovativen Ideen damit die Herausforderungen dieser besonderen Zeit angehen.“