uni | mediendienst | forschung Nr. 80/2021 vom 17. August 2021
Mikrobielle Produkte im Blut fördern chronische Entzündungen bei HIV-Infektionen
Internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Universitätsklinikums Erlangen ermittelt Grundlagen in HIV-Forschung
Für Menschen, die mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) infiziert sind, gibt es zwar eine Therapie, die das Virus unterdrückt und damit vor dem lebensbedrohlichen erworbenen Immunschwächesyndrom (AIDS) schützt, doch haben Betroffene in der Regel mehr Gesundheitsprobleme als Nichterkrankte und ihre Lebenserwartung ist niedriger. Neuere Studien deuten darauf hin, dass vermehrte und anhaltende Entzündungen die Ursache sein könnten. Ein internationales Forschungsteam um Dr. Christiane Krystelle Nganou Makamdop vom Universitätsklinikum Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Dr. Daniel Douek von den National Institutes of Health (USA) hat nun mikrobielle Produkte aus dem Darm – zum Beispiel Teile von Bakterien – identifiziert, die bei einer HIV-Infektion ins Blut gelangt sind und vermehrt Entzündungen vorantreiben. Diese Entdeckung ebnet den Weg für die Eindämmung von Entzündungen bei HIV-Infektionen: Die ermittelten mikrobiellen Produkte könnten künftig Angriffsziel einer Therapie sein. Die Ergebnisse des Forschungsteams wurden in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht*.
Bei einer HIV-Infektion sind chronische Entzündungen häufig, die den Körper anhaltend schädigen können. Ein Mechanismus, der dazu beiträgt, ist der folgende: Das HI-Virus schädigt das Darmgewebe und als Folge kommt es zu einem sogenannten undichten Darm. Mikroben aus dem Darm oder Teile von ihnen gelangen daraufhin in den Blutkreislauf, was als mikrobielle Translokation bezeichnet wird. Diese schädlichen Eindringlinge sind die Auslöser der Entzündungen. Bei einer HIV-Infektion ist zudem die Zusammensetzung der im Darm lebenden Mikroben im Vergleich zu Gesunden verändert – die Zahl krankheitserregender Bakterien steigt an. Auch trotz der sogenannten antiretroviralen Kombinationstherapie (cART), die das HI-Virus unterdrückt, kommt es bei HIV-Infizierten weiter vermehrt zu chronischen Entzündungen und mikrobieller Translokation. Noch nicht vollständig geklärt war bisher, wie die mikrobielle Translokation die Entzündungen bei HIV antreibt bzw. sie verlängert. Das Forschungsteam um Dr. Nganou Makamdop vom Lehrstuhl für Klinische und Molekulare Virologie machte sich auf den Weg, das Rätsel zu lösen.
Darmmikrobiom als Auslöser von Entzündungen
Die Forschenden untersuchten über einen Zeitraum von zwei Jahren Blutproben von HIV-Infizierten aus Uganda, nachdem bei ihnen eine cART eingeleitet worden war. Sie fanden in den Blutproben tatsächlich aus dem Darm stammende mikrobielle Produkte, das sogenannte translozierte Mikrobiom. Die im Blut vorhandenen Immunzellen gaben zudem Aufschluss darüber, wann die Zellen wie auf ihre Umgebung reagiert hatten. Das Forschungsteam stellte fest, dass sich im Verlauf der cART das translozierte Mikrobiom veränderte. So nahm die Zahl der Bakterien zu, die vermutlich verstärkt Entzündungen auslösen. Die Entzündungen dauerten über einen längeren Zeitraum an und beeinflussten den Stoffwechsel der Immunzellen negativ. Ihre Ergebnisse überprüften die Forschenden, indem sie Immunzellen aus dem Blut diesen entzündungsfördernden Bakterien aussetzten – mit ähnlichen Resultaten. Dr. Nganou Makamdop beobachtete zudem, dass auch bei anderen HIV-Infizierten aus Uganda, Kanada und den USA ein Zusammenhang zwischen dem translozierten Mikrobiom und dem Auftreten von Entzündungen bestand.
Diese Erkenntnisse könnten Auswirkungen auf die Therapie von HIV-Infizierten haben, die von chronischen Entzündungen betroffen sind. Möglicherweise können die Entzündungen durch Wirkstoffe in Schach gehalten werden, mit denen die Mikroben und ihre Produkte, die aus dem Darm ins Blut gelangen, unschädlich gemacht werden. Allerdings sind zuvor weitere Untersuchungen notwendig, um zu priorisieren, welche Komponenten anvisiert werden sollen, und eine Therapie zu entwickeln.
Zur Originalpublikation:
*https://doi.org/10.1016/j.cell.2021.05.023
Weitere Informationen:
Dr. Christiane Krystelle Nganou Makamdop
Lehrstuhl für Klinische und Molekulare Virologie
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