Schwingende Kugeln bewegen sich fort
Physiker der FAU entdecken simples Antriebskonzept für Körper in zähen Flüssigkeiten
Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben gemeinsam mit Kollegen der Universität Lüttich und des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien einen Mikro-Schwimmer entwickelt, für den die Gesetze der Fluiddynamik nicht zu gelten scheinen: Ihre Konstruktion aus zwei Kugeln, die durch eine Feder miteinander verbunden sind, wird durch vollständig symmetrische Schwingungen angetrieben. Nach dem sogenannten Scallop-Theorem ist das in fluiden Mikrosystemen nicht möglich. Ihre Ergebnisse haben die Physiker im renommierten Wissenschaftsjournal „Physical Review Letters” veröffentlicht.*
Eine Jakobsmuschel kann sich durch schnelles Zusammenklappen ihrer Schalen im Wasser fortbewegen. Sie ist groß genug, um durch das Trägheitsmoment auch dann noch voranzukommen, wenn sie die Schalen öffnet, um zum erneuten Stoß auszuholen. Je dickflüssiger die Substanz jedoch ist, umso eher gilt das Scallop-Theorem: Ein Schwimmer, der symmetrische oder reziproke Vorwärts- und Rückwärtbewegungen macht – ähnlich dem Auf- und Zuklappen der Muschelschalen –, kommt nicht vom Fleck. „Für mikroskopisch kleine Wesen ist selbst Wasser so zäh wie Teer für uns Menschen”, erklärt Dr. Maxime Hubert. „Deshalb haben beispielsweise Einzeller vergleichsweise komplizierte Antriebskonzepte, etwa vibrierende Härchen oder rotierende Geißeln.”
Schwingende Kugeln bewegen sich fort
Dr. Hubert ist Postdoc in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ana-Suncana Smith am Institut für Theoretische Physik der FAU. Gemeinsam mit Forschenden der Universität Lüttich und des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien hat das Erlanger Team nun einen Schwimmer entwickelt, für den die Scallop-Regel nicht zu gelten scheint: Die simple Konstruktion besteht aus einer Feder, die zwei unterschiedlich große Kugeln miteinander verbindet. Obwohl die Feder sich absolut zeitsymmetrisch ausdehnt und zusammenzieht, bewegt sich der Mikroschwimmer durch die Flüssigkeit.
„Wir haben das Prinzip zunächst in Computersimulationen getestet”, sagt Maxime Hubert. „Anschließend haben wir ein funktionsfähiges Modell gebaut.” Für das praktische Experiment wurden zwei Stahlkügelchen, nur einige hundert Mikrometer im Durchmesser, auf die Wasseroberfläche einer Petrischale gelegt. Die Oberflächenspannung übernahm die Funktion des Zusammenziehens der Feder, die gegenläufige Expansion wurde durch ein Magnetfeld erreicht, das die Mikrokugeln periodisch dazu brachte, sich gegenseitig abzustoßen.
Vision: Schwimmroboter für Medikamententransport
Entscheidend für die Fortbewegung des Schwimmers ist, dass die Kugeln unterschiedlich groß sind. Maxime Hubert: „Die kleinere Kugel reagiert deutlich schneller auf die Federkraft als die größere. Dadurch entsteht eine Asymmetrie in der Bewegung, und die größere Kugel wird von der kleineren mitgezogen. Wir nutzen also auch hier das Prinzip der Trägheit, nur dass hier nicht die Interaktion zwischen Körper und Wasser entscheidend ist, sondern die der Körper untereinander.”
Von einem Turboantrieb zu sprechen wäre übertrieben – das System bewegt sich mit jedem Schwingungszyklus etwa ein Tausendstel seiner Körperlänge vorwärts. Doch nicht die Geschwindigkeit ist hier entscheidend, sondern der genial einfache Aufbau und Antriebsmechanismus. „Das von uns entdeckte Prinzip könnte dabei helfen, winzige Schwimmroboter zu entwickeln”, erklärt Maxime Hubert. „Sie könnten sich eines Tages durch die Blutbahn bewegen und beispielsweise Medikamente zielgenau zum Bestimmungsort transportieren.”
 
 
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