uni | mediendienst | aktuell Nr. 99/2021 vom 17. September 2021

Gutes Leben und gutes Sterben

FAU-Medizinethiker Prof. Dr. Andreas Frewer über Sterbebegleitung und Sterbehilfe

 

Auf welche Weise lässt sich gesundheitliche Versorgung vom Lebensbeginn bis zum Sterben menschlich gestalten? Unter anderem mit dieser Fragestellung beschäftigt sich die Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM), die 2021 von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) vom 22. bis 25. September ausgerichtet wird. Ein Themenschwerpunkt dabei: „Gutes Leben und gutes Sterben”. Im Interview spricht Prof. Dr. Andreas Frewer, Professor für Ethik in der Medizin und AEM-Tagungspräsident, über aktuelle Fragestellungen am Lebensende.

 

Erst vergangenes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Menschen ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben haben. Dies muss nun noch gesetzlich verankert und die Details ausgearbeitet werden. Auch in anderen Ländern wird Sterbehilfe heiß diskutiert. Welche unterschiedlichen Ansätze gibt es im Ausland?

Prof. Frewer: Dies ist ein wichtiges und brisantes Themenfeld, zu dem es im Rahmen der Tagung mehrere Vorträge und größere Foren geben wird. Ein Medizinethiker und eine Juristin stellen dabei den internationalen Stand der Gesetzgebung vor, ein holländischer Arzt und Ethiker beleuchtet z.B. die spezielle Situation in den BeNeLux-Ländern. Aber auch die Perspektive Betroffener und der Schutz von Menschen mit Behinderung wird thematisiert. All dies wird mit zahlreichen Fachleuten kritisch diskutiert, denn die Phase am Lebensende ist gleichermaßen sensibel wie kostbar. Wir alle als verletzliche Menschen sollten hier besonders geschützt werden. Ethische Fragen rechtlicher Regelung stehen im Fokus der Debatten.

 

Gibt es Länder, von denen Deutschland lernen kann bzw. Negativbeispiele?

Prof. Frewer: Sicher ist ein intensiver Austausch in Deutschland wie auch ein Blick auf andere internationale Beispiele zur „Best Practice” sinnvoll. Manche Strömungen aus Belgien und den Niederlanden sollten wir in Deutschland vermeiden. Die Stärkung der Palliativ- und Hospizbewegung ist für uns ein besonders wichtiges Moment, das auch durch ehrenamtliches Engagement aus der gesamten Gesellschaft ergänzt werden sollte. Hier gibt es sehr positive Initiativen von Palliative Care in Europa bis zum regionalen Engagement im sehr großen Hospiz Verein Erlangen.

 

In den BeNeLux-Ländern haben assistierte Suizide stark zugenommen, seitdem ein entsprechendes Gesetz erlassen worden ist. Es steht die Frage im Raum, ob all diese Menschen wirklich die Hilfe durch das Gesundheitssystem bekommen haben, die nötig gewesen wäre, also ob sie sich auch für „Sterbehilfe” entschieden hätten, hätten sie andere Leistungen und Angebote erhalten.

Prof. Frewer: Das ist ein besonders wichtiger Punkt: Es braucht unsere fachliche Kompetenz wie auch persönliches Engagement, um zu zeigen, dass Alternativen zum assistierten Suizid oder gar zur Tötung auf Verlangen möglich sind. Ein Ausbau der Sterbebegleitung im Sinne einer „Ars moriendi nova” als neue Sterbekunst und Kultur des Umgangs am Lebensende ist zentral. Hier kann die Medizinethik wichtige Anregungen und Reflexionen für die Praxis geben sowie Menschenrechte einfordern. Ein ganz praktisches Beispiel: Der temporäre Sterbewunsch sollte sehr genau evaluiert werden, etwa ob es medizinisch-psychiatrische Ursachen oder weitere Wege zur sozialen Unterstützung gibt.

Der Wille der Patientinnen und Patienten ist die eine Seite, die Belastung für das ärztliche Personal die andere. Menschen beim Sterben zu helfen ist für niemanden einfach. Was muss von dieser Seite aus beachtet werden?

Prof. Frewer: Die Beanspruchung für das pflegerische wie auch ärztliche Personal ist sicherlich am Lebensende besonders hoch; alle wollen mit großem Idealismus das Beste für die kranken Menschen. Die Begriffe „Belastung” und „Last” sind in diesem Kontext schwierig, denn keine helfende Person sollte hierbei überlastet werden – und auch kein Mensch sich als „Last” fühlen. Natürlich muss in diesem Feld ganz besonders auf eine ausreichende Personaldecke geachtet werden. Hier wird in Zukunft eine große Herausforderung für die Menschlichkeit im Gesundheitswesen liegen. Mehrere Foren auf der Konferenz werden mit Fachleuten aus zehn Ländern Studien und Details für die Praxis erörtern.

 

Öffentliche Vorträge zur Zukunft der Menschlichkeit im Gesundheitswesen

Wie sieht die gesundheitliche Versorgung der Zukunft aus? Auf welche Weise lässt sie sich vom Lebensbeginn bis zum Sterben menschlich gestalten? Wie verändern Corona-Pandemie, Digitalisierung oder Pflege-Robotik das Gesundheitswesen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM), die dieses Jahr von der Professur für Ethik in der Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zusammen mit der Geschäftsstelle des Ethikkomitees sowie dem Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen (ZiWiS) ausgerichtet wird. Hochkarätige Fachleute aus dem In- und Ausland erörtern den Stand von Medizin und Ethik, unter anderem mit Expertise aus der WHO, von UN-Beauftragten und dem Weltärztebund.

Am 22. und 23. September finden im Rahmen der Tagung öffentliche und kostenlose Abendveranstaltungen im Zukunftsmuseum Nürnberg (DMN) statt.  Am Mittwoch den 22. September spricht nach der Einführung durch den Tagungspräsidenten Prof. Andreas Frewer, der renommierte Zukunfts­forscher Dr. Bernd Flessner ab 18:30 Uhr darüber, in welcher Form sich die Zukunft der Medizin durch Menschlichkeit oder Hightech auszeichnet. Mit Beispielen aus Science-Fiction-Visionen wird er zentrale Pläne wie auch Utopien für Wissenschaft und Medizin beleuchten. Am Donnerstag, den 23. September, vertieft der bekannte Arzt und soziale Vordenker Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer (Bochum) ab 19:00 Uhr das Thema „Die Zukunft der Menschlichkeit im Gesundheitswesen”. Er wird an aktuellen Forschungsbeispielen und aus der Praxis der Heilkunde beleuchten, wie eine moderne und gleichzeitig menschliche Medizin umsetzbar ist. Im Rahmen des „Zukunftsplauschs überMorgen” diskutiert er mit der Leitung von Zukunftsmuseum, Medizinethik und ZiWiS zu wegweisenden Fragen.

Komplettes Programm der AEM-Jahrestagung vom 22. bis 25. September: https://www.aem-online.de/index.php?id=44

 

Für eine digitale Teilnahme:

Abendforum im Zukunftsmuseum am 22. September: https://fau.zoom.us/j/68864407342?pwd=dDlqdmkyZWEyb29Rc1g4Y3pCRCs0UT09

„Zukunftsplausch überMorgen” mit Keynote Lecture am 23. September: https://fau.zoom.us/j/68383455590?pwd=NlRsbzRFZkNIeVZUREFYbE5OeG9EQT09

 

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Andreas Frewer

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