Fast täglich berichten Medien von den Intensivstationen in den Krankenhäusern. Der Fokus der Öffentlichkeit liegt auf den Pflegern und Ärzten, die dort für das Leben der Covid-Patienten im Einsatz sind. Dagegen bleiben die Mitarbeiter der Corona-Normalstationen im Schatten des Scheinwerferlichts. Dabei sind sie die stillen Helden, die noch immer eine Hauptlast der Pandemie tragen.

Intensivstation – das klingt für Laien nach blinkenden Lampen, piependen Geräten und hektischen  Ärzten und Pflegern. Solche dramatischen Szenen kennt man aus Film und Fernsehen. Normalstation hingegen klingt eher unspektakulär – nach normalem Stationsalltag eben.

Doch normal ist seit Monaten für die Stationsleiter Jutta Bläsius und Markus Vogel sowie für ihre Mitarbeiter gar nichts. Und von Alltag ist ihr Leben weit entfernt. Sie sind auf der Corona-Normalstation im Einsatz. Und auch wenn das Corona-Gemeinschaftskrankenhaus aufgrund der gesunkenen Patientenzahl in Stand-by versetzt wurde, versorgen sie im Klinikum Mutterhaus Nord immer noch einige Infizierte.

„Meine Familie sehe ich nur noch über Videoanrufe“, erzählt Markus Vogel. Er ist Stationsleiter der Geriatrie am Standort Nord. „Meine Eltern gehören zur Risikogruppe. Deshalb will ich sie nicht durch persönlichen Kontakt gefährden. Ich und alle anderen Mitarbeiter führen schon seit Monaten ein sehr isoliertes Leben. Wir haben ständig Angst. Entweder davor, sich auf der Arbeit angesteckt zu haben und es dann das private Umfeld zu gefährden, oder davor, sich privat zu infizieren und dann nicht arbeiten zu können.“

Auch für Jutta Bläsius, Stationsleiterin der Inneren Medizin 2, ist von „normalem Alltag“ nichts zu spüren: „Du steigst morgens in dein Auto, gehst zur Arbeit, steigst wieder in dein Auto und fährst heim. Und zuhause geht es in deinem Kopf einfach weiter: Was machst du, wenn sich ein Mitarbeiter infiziert oder als Kontaktperson in Quarantäne muss? Wer kann dann einspringen? Wie geht es wohl Patient XY? Und so weiter. Du kannst einfach nicht abschalten.“ Vogel ging es in den vergangenen elf Monaten ähnlich: „Ich habe viele Probleme mit nachhause genommen. Es ist meine Pflicht, das Team zu schützen. Da fühle ich mich verantwortlich, für seine Sicherheit und seine Gesundheit zu sorgen.“

Nach Feierabend oder an freien Tagen geht Jutta Bläsius raus in die Natur, um ein wenig Abwechslung zu haben, sagt sie. Außerdem helfe es, über die Arbeit zu reden.

„Es tut gut, sich mit den Kollegen auszutauschen. Wir verstehen uns alle wirklich gut und die Pandemie hat unser Team noch enger zusammengeschweißt. Ohne ein gut funktionierendes Team mit vielen engagierten und motivierten Charakteren wäre diese Aufgabe nicht stemmbar gewesen“, sagt Vogel.

Dass die Situation an den Kräften seiner Mitarbeiter zerrt, weiß auch Pflegedirektor Stephan Lutz: „Der Fokus liegt komplett auf der Arbeit und der Ausgleich, den man vielleicht beim gemeinsamen Sport oder beim Bummeln in der Stadt findet, fehlt. Man versucht sich auszuruhen und zu schlafen, damit man auf der Arbeit wieder funktioniert.“

Deshalb und wegen der belastenden Erlebnisse habe das Klinikum von Beginn des Gemeinschaftskrankenhauses einen psychologischen Rufdienst etabliert. Ein solches Erlebnis, nach dem einige Pfleger um ein Gespräch mit einem Psychologen gebeten hätten, sei die Corona-Infektion eines Kollegen gewesen, berichtet Vogel. „Die Kollegin wurde auch intensivpflichtig. Uns allen ist der Fall sehr nahe gegangen.“

„Trotz der Schutzausrüstung haben sich leider einige Pflegerinnen und Pfleger infiziert“, sagt Lutz. „Gerade an den Weihnachtsfeiertagen, als wir 42 schwerstkranke Patienten zu versorgen hatten, gab es auch beim Personal Ausfälle.“ Markus Vogel fügt hinzu: „Aber alle gesunden Mitarbeiter waren bereit, einzuspringen und Mehrarbeit zu leisten.“

Neben der Versorgung der Covid-Erkrankten musste auch der normale Betrieb weitergehen. Doch mit dem bisherigen Personalschlüssel sei das nicht möglich gewesen. „Wir in der Pflegedirektion haben einen Rundruf bei den anderen Standorten gestartet“, berichtet Lutz. „Daraufhin  sind Pflegerinnen und Pfleger von anderen Stationen gekommen und haben die Kollegen hier unterstützt.“

Seit Anfang März 2020 das Corona-Gemeinschaftskrankenhaus eröffnet worden war, haben sich Vogel und seine Mitarbeiter der Geriatrie um Corona-Patienten gekümmert. „Als wir von der Geriatrie mit der Aufgabe betraut wurden, die Corona-Normalstation zu eröffnen und zu versorgen, war es natürlich ein zuerst beklemmendes Gefühl“, erzählt er. „Auch mit dem Hintergrund der in den Medien verbreiteten Bilder speziell aus Wuhan und Bergamo seiner Zeit. Man hat sich natürlich Gedanken gemacht, welchen Mitarbeiter man mit dieser Aufgabe belasten kann, wem man es zumuten kann. Die ersten Dienste als Leitung zu planen, fiel wirklich nicht einfach. Trotz Unwissenheit und der daraus resultierenden Angst boten sich viele Mitarbeiter an, die Patienten zu versorgen und ihren Dienst an der Gesellschaft zu leisten, den Erkrankten ohne Rücksicht auf sich selbst zu helfen. Dieser Mut erfüllt mich mit Stolz auf mein Team.“

Für die Mitarbeiter sei die Unsicherheit im Umgang mit dem neuartigen Virus eine große Herausforderung gewesen. „Wir wussten nicht, wie man die Menschen mit Covid behandelt und welche Schutzausrüstung man tragen muss, um wirklich geschützt zu sein. Glücklicherweise waren wir nicht allzu sehr von der Maskenknappheit betroffen. Wenn ich an andere Häuser und Orte in Deutschland denke, konnten wir uns glücklich schätzen, dass wir so gut mit Materialien versorgt wurden.“

Als dann im Sommer das Gemeinschaftskrankenhaus aufgrund der gesunkenen Patientenzahl wieder in den Stand-By versetzt wurde, blieb die Corona-Normalstation weiterhin geöffnet. Anfang November – mit der zweiten Welle und dem erneuten Lockdown – wurde dann auch die Intensivstation in Zusammenarbeit mit dem Brüderkrankenhaus aufgemacht. Zur Normalstation kam nun noch mehr Pflegepersonal aus der Geriatrie hinzu.

„Die zweite Welle hat uns schlimm erwischt“, sagt Bläsius. „Es sind viele Patienten aus Altenheimen gekommen. Viele Kranke, bei denen wir im Vorhinein wussten, dass es zu spät ist. Andere fühlten sich noch gut, machten den Eindruck, auf dem Weg der Besserung zu sein. Und plötzlich gerieten die Patienten in einen lebensbedrohlichen Zustand. In solchen Situationen hat es sich als wichtig erwiesen, dass die Wege von Normal- zu Intensivstation kurz waren.“

Trotzdem habe man nicht alle Patienten retten können, berichtet Pflegedirektor Stephan Lutz. „Auf der Normalstation sind mehr Menschen gestorben als auf der Intensivstation“, sagt er. „Das hat daran gelegen, dass die Patienten oft schon mit Vorerkrankungen und in einem schlechten Allgemeinzustand zu uns gekommen sind.“ Für diese Patienten sei es einfach zu spät gewesen, sie noch intensivpflegerisch zu behandeln. „Bei manchen Patienten in einem fortgeschrittenen Alter hat sich der Zustand so rapide verschlechtert, dass wir gemeinsam mit den Angehörigen entschieden haben, sie gehen zu lassen. Aber diese fünf, sechs Todesfälle in einer Woche machen natürlich etwas mit dem Pflegepersonal.“

Doch nicht nur die hohe Zahl an Verstorbenen setzten den Mitarbeitern zu. „Besonders viel Kraft kostet es mich auch, sich mit Angehörigen auseinander zu setzen, die sich nicht an den Besucherstopp halten wollen“, sagt Vogel. Immer wieder müsse er die Regeln erklären und aufklären. Manche Angehörige drohten mit rechtlichen Konsequenzen. „In der ersten Welle war die Wertschätzung und der Dank durch die Bevölkerung riesig. Man hat für uns geklatscht und uns Danke gesagt. Das hat uns wirklich gut getan. Aber als die Leute coronamüde geworden sind und immer mehr Verschwörungstheorien kursiert sind, wurden wir dann plötzlich angegriffen.“

Trotz der aufreibenden Zeit wissen Bläsius und Vogel auch von heiteren Momenten zu erzählen: „Ich habe keinen einzigen grantigen Patienten erlebt“, sagt Bläsius. „Die Menschen hier waren unwahrscheinlich dankbar dafür, hier Hilfe bekommen zu haben. Außerdem hatten wir Patienten, die von der Intensivstation zu uns kamen, die dort beatmet wurden, und die hier wieder auf die Beine gekommen sind. Von hier sind sie in die Reha gegangen und haben sich wieder erholt. Das waren für uns Lichtblicke. Das hat uns bestätigt, dass wir unsere Arbeit gut machen.“

Mit den derzeitig niedrigen Inzidenzwerten und dementsprechend wenigen Patienten, versuche man sich wieder dem Alltag aus Zeiten vor der Pandemie zu nähern. „Trotzdem haben wir immer die Frage im Hinterkopf: Wie wird es weitergehen? Kommt eine dritte Welle?“, sagt Vogel. Lutz fügt hinzu: „Die Mutationen stellen uns wieder vor Herausforderungen, weil wir es sie noch nicht genau einschätzen können. Wir wissen nicht, ob wir bald wieder mehr Infizierte hier betreuen müssen. Deshalb freuen wir uns momentan über jeden Tag im Normalbetrieb.“

Eine Sache ist allen dreien ein großes Anliegen: „Ein ganz großer Dank geht an unsere Mitarbeiter! Man kann nur den Hut davor ziehen, dass jeder von ihnen ihre Frau  und ihren Mann gestanden hat – trotz der Unsicherheit und der Ungewissheit. Einfach nur: Danke!“

Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen gGmbH,
Akademisches Lehrkrankenhaus der Johannes Gutenberg-
Universität Mainz,
Feldstraße 16 – – D-54290 Trier,
Handelsregister Wittlich HRB 40295,
Geschäftsführer: Dr. med. Christian Sprenger, Oliver Zimmer
Vorsitzende des Aufsichtsrates: Sr. M. Elisabeth Mues.

 

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BUZ: Markus Vogel, Stationsleiter der Geriatrie, und Jutta Bläsius, Stationsleiterin der Inneren Medizin 2, versorgen seit Monaten Covid-Patienten. Dabei tragen sie jedes Mal die komplette Schutzmontur. Foto: Michaela Hellmann, Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen