Alle Proteine auf einem Bild: Hochdurchsatz-Imaging von Proteinen mit Nanobodies auf der Nanoskala

Neuartige, visionäre Idee erhält europäische Förderung: UMG-ForscherProf. Dr. Silvio Rizzoli koordiniert internationales Projekt „IMAGEOMICS“ zur Entwicklung einer neuartigen molekularen Bildgebung. Ziel ist es, das Proteom auf der Nanoskala abzubilden. Förderung im Programm „FET O-pen – Novel ideas for radically new technologies“ in Höhe von insgesamt 3,7 Mio. Euro für 42 Monate. Projektstart: 1. Juli 2021

(umg) Proteine bestimmen und messen zu können, ist für die biologische und medizinische Forschung von großer Bedeutung. Molekulare Bildgebung eröffnet Einblicke in subzelluläre Vorgänge, die auf der Zusammenarbeit von mehreren tausend Proteinen beruhen. Doch mit konventioneller molekularer Bildgebung lassen sich bisher nur einzelne Proteine zeitgleich darstellen, nicht aber sämtli-che Proteine (das Proteom) einer Probe.

Mit einer Kombination von neuartigen (Affinitäts-)Sonden und nanoskaliger Bild-gebung will der Göttinger Wissenschaftler Prof. Dr. Silvio Rizzoli, Direktor des In-stituts für Neuro- und Sinnesphysiologie und Sprecher des Center for Biostructu-ral Imaging and Neurodegeneration (BIN) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), mit einem internationalen Team von Wissenschaftler*innen den Durch-satz bei der molekularen Bildgebung zum Sichtbarmachen von Proteinen deutlich erhöhen. Die IMAGEOMICS-Strategie soll idealerweise in einem Bildgebungs-vorgang Informationen über das gesamte Proteom, also über alle Proteine in Zel-len, Geweben oder einer Probe, liefern und so unter anderem den Weg für eine verbesserte Diagnostik verschiedener Krankheiten ebnen. Das Forschungsvor-haben IMAGEOMICS (für: „Imaging the proteom at the nanoscale“) wird von der Europäischen Union (EU) als „neuartige Idee für eine radikal neue Technologie“ über das Förderprogramm „FET Open – Novel ideas for radically new technolo-gies“ mit insgesamt 3,7 Mio Euro für 42 Monate gefördert. Das Projekt startet am 1. Juli 2021.

Partner*innen im Projekt sind Prof. Doron Gerber vom Nanotechnology Institute der Bar Ilan University, Israel, Dr. Steffen Frey von der NanoTag Biotechnologies, GmbH, Göttingen, sowie Prof. Ilaria Testa vom Advanced Optical Bio-Imaging Laboratory der Königliche Technische Hochschule Stockholm, Schweden. Das Vorhaben wird koordiniert von Prof. Dr. Silvio Rizzoli.

Das Schlüsselprinzip der biologischen Bildgebung ist die spezifische Markierung. Das interessierende Protein wird erst durch die Markierung sichtbar. Die konven-tionelle molekulare Bildgebung zur Detektion (Aufspüren) von Proteinen verwen-det Fluorophore (Fluroreszenzmarkierung) oder Antikörper, die auf einzelne Pro-teine gerichtet sind. Dieses Verfahren ist seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich, hat aber den großen Nachteil, dass jedes Protein einzeln markiert werden muss: Für jedes Protein werden spezifische Antikörper benötigt. Zudem kann nur eine sehr begrenzte Zahl von Antikörpern gleichzeitig zum Einsatz kommen. Diese Einschränkungen verhindern, dass die molekulare Bildgebung für Proteine zu ei-nem „Omics“-Ansatz mit hohem Durchsatz wird.

Das von der EU geförderte Projekt IMAGEOMICS zielt darauf ab, diese Ein-schränkung durch neuartige Affinitätssonden zu beheben. „Wir werden Affinitäts-sonden entwickeln, die mit hoher Spezifität nicht an bestimmte Proteine binden, sondern an Aminosäuresequenzen (Peptide), die in mehr als einem Protein vor-handen sind“, sagt Prof. Silvio Rizzoli. Über 20 bis 40 solcher Peptide will das IMAGEOMICS-Team so auswählen, dass praktisch jedes Protein im menschli-chen Proteom eine bestimmte Untergruppe der Peptide enthält.

In einem nächsten Schritt werden die Wissenschaftler*innen dann sogenannte Nanobodies entwickeln, die an jedes dieser Peptide binden und sie zur Markie-rung biologischer Proben verwenden. Nanoantikörper sind als Antikörperfrag-mente sehr viel kleiner als klassische Antikörper und dringen optimal in biologi-sche Proben ein. „Die so markierten biologischen Proben wollen wir im Nano-maßstab mit einer Auflösung abbilden, die ausreicht, um einzelne Proteine auf-zudecken. Auf diese Weise ‚lesen‘ wir die Sequenz jedes Proteins im Präparat. Das führt zu einem Bild seines gesamten Proteoms“, sagt Prof. Rizzoli.

Mit der Anwendung des Ansatzes wollen die IMAGEOMICSWissenschaftler*innen zunächst auf zweidimensionalen Proben beginnen, wie zum Beispiel auf Deckgläsern adsorbierte Flüssigkeiten. Damit könnte der Grundstein für zukünftige diagnostische Studien für eine Vielzahl menschlicher Erkrankungen gelegt werden, die auf menschlichen Flüssigkeiten, wie Plasma oder Liquor basieren. In einem späteren Stadium wollen die Wissenschaft-ler*innen in der Lage sein, Zellen und Gewebe zu analysieren, indem sie dreidi-mensionale proteomische Bilder erzeugen. Projekt-Koordinator Prof. Dr. Silvio Rizzoli ist überzeugt: „Dieser Ansatz wird die Antikörper-basierte Bildgebung, Blotting und Diagnostik obsolet machen und hat daher ein immenses Potenzial.

ÜBER FET Open

Im Förderprogramm FET („Future and Emerging Technologies“) Open fördert die Europäische Union unkonventionelle neue Forschungsideen im Frühstadium, die auf fundamentale Durchbrüche für neue Technologien abzielen. Dabei sollen be-stehende Paradigmen hinterfragt und Forschung an der Grenze des Wissens er-möglicht werden.

 

UNIVERSITÄTSMEDIZIN GÖTTINGEN
GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT


www.umg.eu