Wer außerhalb eines Krankenhauses einen Herz-Kreislaufstillstand erleidet, ist auf sofortige Hilfe angewiesen. Je schneller und fachkundiger die Rettungsbemühungen einsetzen, desto höher ist die Chance für Betroffene, die Notsituation ohne bleibende Schäden zu überleben. Die erste „Resuscitation Academy Deutschland“ (RAD) unter Federführung des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin (IRuN) des UKSH hat sich in den vergangenen zwei Jahren daran gemacht, durch einen strukturierten Entwicklungsprozess die Überlebensraten nach außerklinischem Herz-Kreislaufstillstand zu erhöhen.

„Wir sind sehr zufrieden mit den Fortschritten, die wir gemeinsam mit den teilnehmenden Rettungsdienstbereichen erzielen konnten“, sagt Prof. Jan-Thorsten Gräsner, Direktor des IRuN und ärztlicher Projektleiter der Resuscitation Academy Deutschland. „Und wir sind optimistisch, dass diese Verbesserungen sich zukünftig in höheren Überlebensraten widerspiegeln werden. Dies werden wir nun anhand unserer Daten des Deutschen Reanimationsregisters wissenschaftlich prüfen.“

Vorbild für das Projekt war die „Resuscitation Academy“ 2008 in Seattle. Dort war es gelungen, mithilfe eines 10-Schritte-Programms die Überlebensrate nach außerklinischen Herz-Kreislaufstillstand auf über 56 Prozent zu erhöhen. Zum Vergleich: In Europa variiert der Wert zwischen ca. sechs bis 27 Prozent. In Deutschland erreichen ca. 33 Prozent der Betroffenen das Krankenhaus mit eigenem Spontankreislauf, von denen etwa jeder Dritte das Ereignis überlebt. In dem vom Versorgungssicherungsfonds des Landes Schleswig-Holstein und der Damp Stiftung geförderten Projekt wurden die zehn Optimierungsschritte der Resuscitation Academy erstmalig mit einem an die deutschen Gegebenheiten angepassten Format über 24 Monate umgesetzt. Die erste Resuscitation Academy Deutschland 2020–2022 umfasste die sechs Rettungsdienstbereiche Berlin, Dortmund, Kiel, Plön, Rostock und Vorpommern-Greifswald.

„Ein ganz entscheidender Faktor ist das fachkundige Eingreifen von Ersthelfern“, sagt Dr. Michael Corzillius, Abteilungsleiter Rettungsdienst bei der Berufsfeuerwehr der Landeshauptstadt Kiel. „Hier konnten wir im Rahmen der RAD den Einsatz von automatischen externen Defibrillatoren auf den Fahrzeugen des kommunalen Ordnungsdienstes Kiel anstoßen, was zu erheblicher Verbesserung führen wird. Diesen Pfad, zusätzlich zu den vielerorts vorhandenen First-Responder-Systemen mit ehrenamtlichen Hilfsorganisationen auch vermehrt Mitarbeitende von Behörden zu schulen, werden wir konsequent weiterverfolgen.“

Die Frage, wie Rettungsprofis noch besser werden können, stand im Fokus des Rettungsdienstbereiches Plön. Peter Rösch, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes Kreis Plön, erklärt: „Ähnlich wie bei einer Formel-1-Boxencrew, kann die Teamleistung durch perfekte Abläufe, Effizienz und Rollenwechsel zu einem hervorragenden Ergebnis für Betroffene führen. Dies erreichen wir durch regelmäßige Trainings der sogenannten High-Performance-Reanimation, kurz HP-CPR. Zur weiteren Optimierung trägt bei uns zukünftig auch die Überprüfung und Analyse realer Einsätze bei.“

Um die jeweiligen Verbesserungspotenziale zu identifizieren, hatten alle sechs Rettungsdienstbereiche jeweils zu den vier RAD-Veranstaltungen der vergangenen zwei Jahre das „RAD-System-Assessment-Tool“ durchgeführt. Dahinter verbirgt sich ein strukturiertes Instrument zur Systembewertung auf der Grundlage des 10-Schritte-Programms aus Seattle. Als Datenbasis diente und dient das Deutsche Reanimationsregister, das vom Institut für Rettungs- und Notfallmedizin des UKSH bundesweit koordiniert wird. Alle sechs Teilnehmer strebten und streben eine bessere Datenqualität oder eine verbesserte Nutzung des Deutschen Reanimationsregisters an.

Außerdem implementierten alle ein High-Performance-Cardio-Pulmonary-Resuscitation-Programm (HP-CPR). Darüber hinaus überprüften und verbesserten einige Leitstellen ihre Telefon-Reanimation und überarbeiteten ihre sogenannten „Rapid Dispatch“-Programme. Bei dieser Sofort-Disposition und -Alarmierung wird das nächstgelegene Fahrzeug des Rettungsdienstes innerhalb von Sekunden noch während der Notrufannahme entsendet, wenn spezifische medizinische Symptome oder Stichworte für einen Herz-Kreislauf-Stillstand vorliegen. Ziel ist eine Alarmierung in weit unter 60 Sekunden sowie ein frühzeitigeres Eintreffen von professionellen Ersthelfern für CPR und eine erste Defibrillation.

Mehrere Rettungsdienstbereiche haben die Integration von Laienhelfern über Apps eingeführt oder die Integration von automatisierten externen Defibrillatoren verbessert. Weitere Projekte zielten unter anderem auf die gemeinsame multiprofessionelle Schulung von Rettungsfachpersonal und notärztlichem Personal sowie den verstärkten Einsatz von CPR-Feedback-Sensoren. Ein Pilotprogramm erprobte Notfallsanitäter-Supervisoren sowie gegenseitige Hospitationen.

„Aufbauend auf den hervorragenden Ergebnissen des Pilotprojektes der Resuscitation Academy Deutschland von 2020 bis 2022 soll diese wichtige Initiative weiter fortgesetzt und mehr Teilnehmenden zugänglich gemacht werden“, sagt Prof. Gräsner. „Daher wird die Resuscitation Academy Deutschland verstetigt und ab Januar 2023 über jeweils 24 Monate und vier aufeinanderfolgenden Events mit weiteren Rettungsdienstbereichen durchgeführt werden.“

Zur Abschlussveranstaltung der ersten Resuscitation Academy Deutschland von Montag, 28. März 2022, bis Donnerstag, 31. März 2022, waren international führende Expertinnen und Experten der Reanimationsforschung nach Kiel gekommen, um mit den Teilnehmenden über die Erfolge, Herausforderungen und weitere Verbesserungen zu diskutieren – unter ihnen auch die Gründerinnen und Gründer der Resuscitation Academy in Seattle, Ann Doll und Prof. Peter Kudenchuk. Zugleich wurden Kooperationsvereinbarungen mit den Vertreterinnen und Vertretern aus Seattle sowie der Duke-NUS Medical School in Singapur abgeschlossen, um eine optimale Weiterentwicklung der RAD auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Reanimationsforschung sicherzustellen.

 

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