Kiel, 3. November 2021

Organschutz mittels Blutdruckmanschette 

Interdisziplinäres Forschungsteam von UKSH und CAU untersucht zelluläre Effekte der ischämischen Präkonditionierung

Einem interdisziplinären Forschungsteam des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es gelungen, wichtige Erkenntnisse zum Schutz von Organen bei längeren Phasen der Minderdurchblutung, sogenannter Ischämien, zu gewinnen. Die Forschenden verwendeten dabei die ischämische Präkonditionierung (IPC), eine experimentelle Technik, welche es Organen ermöglicht, eine Toleranz gegenüber nachfolgenden ischämischen Ereignissen zu entwickeln. Die Wirkmechanismen der IPC sind bislang weitgehend unbekannt. Hier konnte das Forschungsteam wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die nun in der renommierten Fachzeitschrift Basic Research in Cardiology veröffentlicht wurden.

Das Phänomen der IPC wurde bereits 1986 von Murry und Mitarbeitern beschrieben: Hunde wurden kurzen Koronararterienverschlüssen, gefolgt von kurzen Reperfusionsphasen ausgesetzt (IPC), bevor ein länger anhaltender Verschluss der Koronararterie mit entsprechendem Gewebeschaden (Infarkt) induziert wurde. Im Vergleich zu den Kontrolltieren ohne IPC wiesen Hunde mit IPC signifikant kleinere Infarktbereiche im Herzen auf. Basierend auf dieser grundlegenden Arbeit wurde in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass ein mehrmaliges Aufblasen einer Blutdruckmanschette am Oberarm ebenfalls einen schützenden Effekt auf zahlreiche Organe ausübt. Der entsprechende Prozess wurde als entfernte, also „remote“ ischämische Präkonditionierung (RIPC) bezeichnet. IPC und RIPC könnten von hoher klinischer Relevanz sein, allerdings sind die zugrundeliegenden Mechanismen bis heute nur unzureichend verstanden. Ebenfalls unklar ist, ob sich die Schutzeffekte der IPC und RIPC durch ein Wiederholen der Prozedur (chronische RIPC, cRIPC) verstärken lassen.

Einem interdisziplinären Forscherteam bestehend aus Medizinerinnen und Medizinern sowie Biologinnen und Biologen der Kliniken für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Herz- und Gefäßchirurgie, Angewandte Zelltherapie sowie dem Institut für Pathologie gelang es nun in einem translationalen Ansatz wichtige Aspekte der noch ungeklärten Fragen zur RIPC zu untersuchen. Im Rahmen ihrer Studie applizierten die Forschenden gesunden Probanden eine tägliche RIPC über den Zeitraum von sieben Tagen und isolierten zu Beginn als auch am Ende des Experimentes Blutplasma und Blutzellen (Monozyten). Es folgten Analysen der im Blut zirkulierenden Faktoren, Charakterisierungen der Oberflächenrezeptoren der isolierten Monozyten sowie funktionelle in-vitro Untersuchungen zur Beurteilung des gefäßinduzierenden Potentials der entsprechenden Blutplasmaproben (Abbildung 2).

Die Ergebnisse ihrer Studie interpretieren die Autorinnen und Autoren dahingehend, dass der kardiovaskuläre Schutz durch RIPC und cRIPC über eine Regulierung von Blutplasmazytokinen sowie über Veränderungen der Zelloberflächeneigenschaften von Monozyten vermittelt werden könnte. Die Daten deuteten darauf hin, dass eine Kombination aus im Blut zirkulierenden sowie zellulären Faktoren für die durch RIPC sowie cRIPC vermittelten Wirkungen verantwortlich sein könnte. Allerdings scheint der jeweilige Patient bzw. die jeweilige Patientin und ihre unterschiedlichen Vorerkrankungen eine wichtige Rolle bei der Wirksamkeit der Präkonditionierung zu spielen.

Die Forschenden des interdisziplinären Teams folgern in ihrer Studie weiter: „Obwohl davon auszugehen ist, dass RIPC und cRIPC nicht bei allen Patientinnen und Patienten positive Auswirkungen haben wird, ist die Methode kostengünstig, einfach anzuwenden und nicht mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden. Auf dieser Grundlage erscheint es logisch, die Grundlagenforschung zu den beteiligten Mechanismen weiter voranzutreiben, um gezielt die Patientinnen und Patienten auszuwählen, die von einer entsprechenden Behandlung profitieren, oder um die Wirksamkeit der Methode durch eine Kombination von RIPC/cRIPC mit anderen pharmakologischen oder chirurgischen Maßnahmen zu erhöhen.“

Die Ergebnisse ihrer translationalen Studie, welche von der Trizell GmbH gefördert wurde, konnten die Forschenden (Bild 1) in Basic Research in Cardiology veröffentlichen:
Hummitzsch, L., Zitta, K., Fritze, L., Monnens, J., Vollertsen, P., Lindner, M., Rusch, R., Hess, K., Gruenewald, M., Steinfath, M., Fändrich, F., Berndt, R., Albrecht, M.: Effects of remote ischemic preconditioning (RIPC) and chronic remote ischemic preconditioning (cRIPC) on levels of plasma cytokines, cell surface characteristics of monocytes and in-vitro angiogenesis – a pilot study. Basic Res Cardiol. 2021 Oct 14;116(1):60. https://doi.org/10.1007/s00395-021-00901-8 

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