Chefarzt und Kinderintensivmediziner der Kliniken Südostbayern über die Auswirkungen der Pandemie auf die physische und psychische Gesundheit von Kindern

Das RKI meldet steigende Infektionszahlen auch bei Kindern und Jugendlichen. Wie geht es ihnen gesundheitlich in der Corona-Pandemie? „Mehr als ein Jahr nach Beginn der weltweiten Corona-Pandemie gibt es mittlerweile viele internationale Daten, welche Auswirkungen die Pandemie auf Kinder hat“, so Priv.-Doz. Dr. Gerhard Wolf, Chefarzt der Kinderklinik in Traunstein. „Zum Glück erkranken Kinder weitaus weniger oft und weniger schwer als Erwachsene. Wenn Kinder an Coronavirus erkranken, dann haben die meisten nur leichte oder gar keine Symptome. Dennoch erkranken einige wenige Kinder auch sehr schwer. Im Vordergrund steht hier sicherlich eine zum Teil heftige Entzündungsreaktion, die Kinder zwei bis sechs Wochen nach einer Coronavirus-Infektion befallen kann. Diese Erkrankung heißt PIMS und steht für „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrom“ – auf Deutsch: „Kindliche entzündliche Multisystem-Erkrankung“.

Es erkrankten an diesem Syndrom, bei dem das eigene Immunsystem quasi überreagiert und das eigene Herz- und Kreislaufsystem angreift, zwar nur wenige Kinder in Deutschland, die eine Coronavirus-Infektion durchgemacht hatten , so Dr. Wolf weiter. Dennoch könne diese PIMS-Erkrankung schwer verlaufen. „In Deutschland sind bisher 200-300 Kinder an PIMS erkrankt. Eine neue Studie aus den USA (Link 1) untersuchte über 1700 Kinder, welche an PIMS erkrankten. Viele dieser Kinder zeigten nicht nur Bauchschmerzen, einen Ausschlag oder eine Bindehautentzündung, sondern auch akutes Herzversagen und Kreislaufschock. Mehr als die Hälfte der Kinder mit PIMS mussten auf der Kinderintensivstation behandelt werden“, so Dr. Wolf, der selbst Kinderintensivmediziner ist. „Auch an der Kinderklinik Traunstein hatten wir bislang einige Fälle von PIMS bei Kindern. Unsere kleinen Patienten mussten auch auf der Kinderintensivstation behandelt werden. Zum Glück können wir in Traunstein eine sehr gute Intensivtherapie für sie anbieten. So sind alle unsere Patienten wieder vollständig gesund und konnten nach Hause entlassen werden.“

Und wie geht es den Kindern sonst? „An der Kinderklinik Traunstein sind diesen Winter nur ganz wenige Kinder mit anderen Atemwegserkrankungen wie Influenza, also Grippe, oder Respiratory Syncytial (RS-)Virus stationär aufgenommen worden. Wo in den Vorjahren unsere Kinderstationen im Januar und Februar übervoll waren, hatten wir diesen Winter kaum Patienten mit Atemwegsinfektionen stationär zu versorgen“. Dieses Phänomen wurde auch weltweit beschrieben: in der Region Paris mussten beispielsweise wegen Bronchiolitis, einer meist virusbedingten Entzündung der kleinen Atemwege bei Kindern, einer neuen Studie nach viel weniger Kinder als in den Vorjahren auf der Kinderintensivstation behandelt werden (Link 2). „Vermutlich beruht dieser Effekt darauf, dass die Kinder meistens zu Hause sind, in der Öffentlichkeit Mundschutz tragen, was ja nicht nur vor dem Coronavirus, sondern auch vor anderen Atemwegsinfektion effektiv schützt. Eine deutliche Zunahme sehen wir jedoch bei den psychischen Erkrankungen von Kindern“, so Dr. Wolf. „Häufiger als sonst sehen wir Kinder mit depressiven Verstimmungen, Angststörungen, und Essstörungen, welche wir auch im Rahmen einer akuten Krisenintervention stationär behandeln müssen. Der Lockdown führt sicherlich auch dazu, dass bestimmte Situationen im häuslichen Umfeld eskalieren“, so Dr. Wolf. „Ein erstaunlicher Effekt des Lockdowns scheint sich bei Frühgeborenen abzuzeichnen“, so Dr. Wolf. „Erste Studien aus Holland (Link 3) und anderen Ländern zeigten, dass weniger frühgeborene Kinder zur Welt kamen“. Über die Gründe kann man nur mutmaßen. „Die Autoren der Studie aus Holland spekulieren zum Beispiel, dass eine verminderte mütterliche Belastung durch Pendeln zum Arbeitsplatz und weniger Reisetätigkeit und sogar eine verbesserte Luftqualität eine Rolle spielen könnte. Die Autoren meinen zudem, dass die insgesamt verbesserte Hygiene durch Abstand, Atemschutz, und Händedesinfektion zu allgemein weniger mütterlichen Infektionskrankheiten führte, welche für Frühgeburten verantwortlich sein können“, so Dr. Wolf.

Alle ambulanten Sprechstunden in der Kinderklinik Traunstein laufen auch während der Corona-Pandemie weiter. Ebenfalls ist eine stationäre Aufnahme von Kindern jederzeit möglich und sicher. Dabei darf ein Elternteil weiterhin beim Kind bleiben. Besuche von beiden Eltern sind problemlos möglich, wenn auch nach Möglichkeit abwechselnd. Jedes kranke Kind kann in einer Akutsituation mit einem Elternteil ohne vorherigen Coronatest Tag und Nacht in die Kinderklinik kommen.

Link 1: https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2778429?guestAccessKey=145e1ae6-2d09-4378-897a-90dc868ec13e&utm_source=For_The_Media&utm_medium=referral&utm_campaign=ftm_links&utm_content=tfl&utm_term=040621
Link 2: https://pediatrics.aappublications.org/content/147/4/e2021050103
Link 3: https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S2468-2667%2820%2930223-1

 

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