Blutkrebs-Studie: „Mächtige Zwerge“ gegen bösartige Zellen
Mikro-RNAs hemmen Krebszellen bei Akuter Lymphoblastischer Leukämie
Eine Studie des Universitätsklinikums Ulm zur Akuten Lymphoblastischen Leukämie hat nachgewiesen, dass bestimmte Mikro-RNAs (miRs) die Vermehrung von Blutkrebszellen hemmen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin konnten dabei zeigen, dass diese Mikro-RNAs spezielle Zellzyklusregulatoren abschalten und so die Zellteilung der Leukämiezellen stören. Außerdem fanden die Forschenden molekulargenetische Besonderheiten, die mit besonders schweren Krankheitsverläufen einhergingen. Die Ergebnisse können helfen, Prognose-Marker für den Krankheitsverlauf sowie neuartige Therapie-Optionen zu entwickeln. Veröffentlicht wurde die Studie in der hochrenommierten Fachzeitschrift „Blood“.
Ein internationales Forschungsteam um Professor Lüder Hinrich Meyer, Oberarzt an der Ulmer Kinderklinik, hat nun untersucht, welche zellulären und molekularen Faktoren Krankheitsverlauf und Heilungschancen bei ALL entscheidend beeinflussen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Italien und den Niederlanden haben das genetische Profil von Leukämie-Zellen mit hohem und mit niedrigem Rezidiv-Risiko verglichen und dabei entdeckt, dass bei den Blutkrebszelllinien, die mit einem günstigeren Krankheitsverlauf und einer geringeren Rückfallneigung assoziiert waren, überdurchschnittlich viele Gene aktiv waren, die für bestimmte Mikro-RNAs kodieren. Als Mikro-RNAs bezeichnet man kleine Ribonukleinsäure-Moleküle, die selbst keine genetischen Informationen speichern, aber wichtige Aufgaben bei der Regulierung der Übersetzung von Erbinformation erfüllen. „Diese, auch als ‚mächtige Zwerge’ bezeichneten Genregulatoren kontrollieren essentielle Funktionen der Zelle, wie zum Beispiel Wachstum und Vermehrung“, erläutert Meyer.
Außerdem hat das Forschungsteam bei der Analyse von weiteren Zellproben von Kindern mit Leukämie entdeckt, dass bei Patientinnen und Patienten, die nur sehr schlecht auf eine Therapie ansprechen und einen besonders ungünstigen Krankheitsverlauf haben, die zellteilungshemmende Wirkung von miR-497/195 gefehlt hat. Dies war insbesondere der Fall, wenn die Leukämiezellen weitere, häufiger vorkommende genetische Veränderungen aufwiesen, die auch die Zellzyklusregulation beeinflussen. Die Ergebnisse der Ulmer Studie geben Grund zur Hoffnung, dass es in Zukunft möglich sein wird, Zellzyklus-basierte Prognose-Marker für den zu erwartenden Krankheitsverlauf zu entwickeln. „Möglicherweise bieten sie auch Angriffspunkte für neue Behandlungsstrategien, um die Heilungschancen von ALL-Patientinnen und -Patienten zu verbessern, die bislang nicht gut auf die geläufigen Therapien ansprechen“, so die Ulmer Forscher.
Ulm ist exzellenter Standort für Leukämie- und Krebsforschung
Literaturhinweis:
MicroRNA-497/195 is tumor-suppressive and cooperates with CDKN2A/B in pediatric acute lymphoblastic leukemia. Boldrin E, Gaffo E, Niedermayer A, Boer JM, Zimmermann M, Weichenhan D, Claus R, Münch V, Sun Q, Enzenmüller S, Seyfried F, Demir S, Zinngrebe J, Cario G, Schrappe M, Den Boer ML, Plass C, Debatin KM, Te Kronnie G, Bortoluzzi S, Meyer LH. In: Blood. 2021 Jun 7
doi: 10.1182/blood.2020007591. Online ahead of print. PMID: 34098582
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34098582/
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Lüder H. Meyer, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm, E-Mail: lueder.meyer@uniklinik-ulm.de
Bildunterschriften:
Meyer_Debatin (Fotos: Uniklinikum Ulm): Prof. Lüder H. Meyer (links) und Prof. Klaus-Michael Debatin
Boldrin_Elena (Foto: privat): Elena Boldrin
B-Vorläufer ALL Zellen (Aufnahme: Prof. Lüder H. Meyer): Lichtmikroskopische Aufnahme in 63-facher Vergrößerung von B-Vorläufer ALL Zellen
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann