Fragen an… Prof. Dr. Götz Thomalla

Schlaganfall – Schnelles Handeln rettet Leben

Diagnose Schlaganfall: Zwischen 2007 und 2016 wurden allein in Hamburg 83.395 Menschen mit diesem Krankheitsbild behandelt. Weltweit ist die Anzahl von Schlaganfällen in den vergangenen 30 Jahren um 70 Prozent gestiegen und stellt die zweithäufigste Todesursache in Deutschland dar. Ein Blutgerinnsel oder eine Hirnblutung sorgen für eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Nervenzellen sterben ab, und dies kann zu schweren, langfristigen Schäden des Gehirns führen. Wie ein Schlaganfall erkannt und behandelt wird, beantwortet Prof. Dr. Götz Thomalla, Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) anlässlich des Tages gegen Schlaganfall am 10. Mai.

Wie kann ein Laie feststellen, dass er einen Schlaganfall hat oder an einer TIA, den Vorboten eines Schlaganfalls, leidet?

Prof. Dr. Thomalla: Immer, wenn plötzlich neurologische Ausfallserscheinungen auftreten, muss man an einen Schlaganfall denken. Mit dem FAST-Test lässt sich überprüfen, ob ein Mensch möglicherweise einen Schlaganfall hat. F steht für face (Gesicht) – der Betroffene wird aufgefordert zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, dann kann das auf eine Gesichtslähmung hinweisen. A steht für arms (Arme) – der Betroffene sollte beide Arme vor den eigenen Körper nach vorne strecken und die Handflächen nach oben drehen. Klappt das nicht, könnte eine Lähmung vorliegen. S steht für speech (Sprache) – der Betroffene soll einen Satz nachsprechen. Kann er den Satz nicht vollständig wiederholen oder klingt das Gesprochene verwaschen, könnte eine Sprachstörung vorliegen. T wiederum steht für time (Zeit) – wenn eine dieser drei Übungen nicht einwandfrei durchgeführt werden kann, dann sollte schnell gehandelt und der Rettungsdienst 112 verständigt werden.

Warum ist es so wichtig, bei dem Verdacht auf Schlaganfall sofort zu handeln?

Prof. Dr. Thomalla: Mit jeder Minute, die die Durchblutungsstörungen bestehen, gehen Tausende Gehirnzellen zugrunde. Je früher ein geschlossenes Gefäß wieder geöffnet wird, desto mehr Hirngewebe kann erhalten werden, und umso besser ist später die Lebensqualität der Patient:innen. Entscheidend ist, dass die Patient:innen schnell in ein für die Schlaganfallbehandlung geeignetes Krankenhaus kommen, das über eine Stroke Unit (spezialisierte Abteilung zur Behandlung von Schlaganfällen) verfügt, und dass umgehend mit der Behandlung begonnen wird.

Wie sieht die Akutbehandlung aus?

Prof. Dr. Thomalla: Nach einer schnellen klinischen Untersuchung und bildgebenden Diagnostik des Kopfes mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) entscheiden wir interdisziplinär über die weiteren Behandlungsoptionen. Bei einer Hirnblutung kann in einigen Fällen eine Operation notwendig sein. Bei einem ischämischen Schlaganfall gilt es, die Durchblutung des betroffenen Gehirnbereichs schnellstmöglich wiederherzustellen. Hierzu wird ein Medikament gegeben, welches das Blutgerinnsel im verstopften Gefäß auflösen kann, die sogenannte Thrombolyse. Bei Verschluss einer größeren Arterie erfolgt zusätzlich eine Thrombektomie, das heißt, eine mechanische Entfernung des Blutgerinnsels mittels Katheter. In den vergangenen Jahren wurden die Möglichkeiten der akuten Schlaganfallbehandlung kontinuierlich weiterentwickelt. Die lange Zeit bestehende Annahme, dass die medikamentöse Thrombolyse nur bei Patient:innen innerhalb von viereinhalb Stunden nach dem Schlaganfallereignis wirksam ist, konnten wir in Hamburg mit unserer WAKE-UP-Studie widerlegen. Wir konnten zeigen, dass die Thrombolyse auch noch bei Patient:innen, bei denen der Zeitpunkt des Schlaganfalls nicht zu bestimmen ist, zu guten Ergebnissen führt.

Wie lassen sich nach einem Schlaganfall die entstandenen motorischen Schäden weitgehend beheben?

Prof. Dr. Thomalla: Welche Folgen ein Schlaganfall mit sich bringt, und wie er sich manifestiert, hängt von der betroffenen Hirnregion ab. Zu den häufigsten Folgen gehören halbseitige Lähmungen ebenso wie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten. Mit der Behandlung von Schlaganfallfolgen beginnen wir bereits auf der Stroke Unit (Schlaganfall-Einheit). Diese Frührehabilitation setzt sich aus medikamentöser Therapie sowie ergotherapeutischen, physiotherapeutischen und logopädischen Therapieprogrammen zusammen. Je nach Ausmaß der entstandenen körperlichen Beeinträchtigungen wird dieses Reha-Programm in spezialisierten Einrichtungen fortgesetzt, damit die Patient:innen die Fähigkeiten wie Sprechen, Essen und Bewegen erhalten oder wieder aufbauen. Eine langfristige Unterstützung bieten auch die Selbsthilfegruppen an.

Welche Menschen sind besonders gefährdet, einen Schlaganfall zu erleiden, gibt es Möglichkeiten der Früherkennung?

Prof. Dr. Thomalla: Menschen mit erhöhtem Blutdruck, hohem Cholesterinspiegel und Diabetes mellitus haben ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Sie sollten darauf achten, dass ihre Blutwerte und ihr Blutdruck gut eingestellt sind. Im Rahmen der Hamburg City Health Studie des UKE versuchen wir derzeit mithilfe von umfangreichen klinischen Untersuchungen, bildgebenden Verfahren und Analysen von Blutbiomarkern, neue Erkenntnisse zur Früherkennung eines erhöhten Schlaganfallrisikos zu erlangen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Zusammenspiel von Demenz und Schlaganfall. Ziel der Forschung ist es, neue effektive Strategien zur Prävention von Schlaganfall und Demenz zu entwickeln.

 

Veranstaltung zum Tag gegen den Schlaganfall

Am 10. Mai 2022, 15.30 Uhr, findet in der Hamburger Kunsthalle die erste Patient:innenveranstaltung „Dialogwochen“ der Deutschen Hirnstiftung in Kooperation mit dem UKE statt. Dabei dreht sich alles um die Schlaganfallversorgung und Schlaganfallforschung in Hamburg, die unter anderem von Klinikdirektor Prof. Dr. Christian Gerloff und Prof. Dr. Götz Thomalla, Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKE, vorgestellt werden. Ziel ist es, Betroffene, Angehörige und Interessierte mit Ärzt:innen ins Gespräch zu bringen. Weitere Informationen unter: Dialogwochen_Hamburg

 

Kontakt für Rückfragen

Prof. Dr. Götz Thomalla

Klinik und Poliklinik für Neurologie

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Martinistraße 52

20246 Hamburg

g.thomalla@uke.de

 

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Das 1889 gegründete Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist eine der modernsten Kliniken Europas und mit rund 14.100 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber in Hamburg. Pro Jahr werden im UKE rund 449.000 Patient:innen versorgt, 88.000 davon stationär und 361.000 ambulant. Zu den Forschungsschwerpunkten des UKE gehören die Neurowissenschaften, die Herz-Kreislauf-Forschung, die Versorgungsforschung, die Onkologie sowie Infektionen und Entzündungen. Über die Medizinische Fakultät bildet das UKE rund 3.400 Mediziner:innen, Zahnmediziner:innen und Hebammen aus.

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