Die Mehrheit der Mitglieder der DGPPN hält Suizidbeihilfe nur unter bestimmten Umständen für legitim. Sie fordert eine gesetzliche Regelung, welche die Freiverantwortlichkeit einer Suizidentscheidung sicherstellt und die Suizidprävention stärkt. Dies ist ein Ergebnis einer Mitglieder-Umfrage, die jetzt in der Fachzeitschrift Der Nervenarzt veröffentlicht wurde.

Suizid und Suizidprävention sind zentrale Themen der Psychiatrie und Psychotherapie. Im Jahr 2020 kamen 9206 Personen in Deutschland durch Suizid zu Tode, die meisten davon im Rahmen einer psychischen Erkrankung. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Februar 2020, die das Recht auf selbstbestimmtes Sterben betont, postuliert auch das Recht darauf, Hilfe Dritter bei einem Suizid annehmen zu dürfen. Sie berührt Psychiaterinnen und Psychiater ganz besonders. Auch die Beurteilung der Freiverantwortlichkeit der Suizidentscheidung, die vom BVerfG zur Voraussetzung für eine legitime Assistenz gemacht wurde, fällt wesentlich in die fachärztliche Kompetenz von Psychiaterinnen und Psychiatern. Ihre Einstellungen und Erfahrungen sollten in die Diskussion um die Neuregelung der Suizidbeihilfe einfließen.

Die DGPPN hat deshalb eine Online-Befragung ihrer Mitglieder durchgeführt. Die Ergebnisse wurden nun im Fachblatt Der Nervenarzt veröffentlicht.

„Diese Umfrage ist bundesweit die erste Erhebung der Einstellungen von in Deutschland in der Psychiatrie und Psychotherapie tätigen Personen zu diesem Thema“, erläutert der Präsident der DGPPN, Prof. Dr. Thomas Pollmächer. „Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Befragten eine klare gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe wünschen. Sie sollte u. a. eine Begutachtung der Freiverantwortlichkeit umfassen, die nicht von derselben Person durchgeführt wird wie die Suizidassistenz.“

Insgesamt liegen Daten von 2048 Befragten und damit von mehr als einem Fünftel der Mitglieder der DGPPN vor. Der überwiegende Teil hält die Beihilfe bei freiverantwortlichen Suiziden nur unter bestimmten Umständen für legitim, z. B. im Angesicht einer terminalen Erkrankung mit hohem Leidensdruck. Jeder fünfte Befragte findet allerdings, es gebe keinerlei Umstände, die eine Assistenz beim Suizid legitimierten.

Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung schließt nach Einschätzung von drei Viertel der Befragten eine selbstbestimmte Entscheidung nicht per se aus. Allerdings kann, so die einhellige Meinung, die Freiverantwortlichkeit durch psychotische Symptome, depressive Symptome, kognitive Beeinträchtigungen und Suchterkrankungen deutlich eingeschränkt sein.

„Es ist deshalb unbedingt notwendig, auch die Suizidprävention gesetzlich zu stärken. Und natürlich muss die sorgsame Begutachtung der Freiverantwortlichkeit ein zentraler Aspekt der gesetzlichen Regelung sein“, leitet Präsident Pollmächer ab. „Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sind aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung dafür gut qualifiziert.“

Die Ergebnisse der Umfrage leisten einen wichtigen Beitrag zur Positionierung der psychiatrischen Fachgesellschaft. Sie sind in ein Eckpunktepapier eingeflossen, welches die DGPPN-Forderungen für eine Neuregelung der Suizidassistenz an die Politik skizziert.

Weitere Informationen

Originalveröffentlichung: Wassiliwizky M, Gerlinger G, Domschke K et al (2022) Der assistierte Suizid. Nervenarzt. doi.org/10.1007/s00115-022-01391-2
DGPPN-Eckpunkte für eine Neuregelung der Suizidassistenz
Video-Aufzeichnung des Hauptstadtsymposiums “Suizidbeihilfe neu regeln”

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