Herzinsuffizienz: Wenn das Herz schwach wird

Marion Stephan ist Pflegeexpertin für Menschen mit Herzschwäche und arbeitet im MEDICLIN Herzzentrum Coswig als Herzinsuffizienz-Schwester. Anlässlich des Weltherztages am 29. September erklärt sie im Interview, was in ihrem Beruf wichtig ist und was sie an ihrer Arbeit begeistert.

Coswig, 17. September 2021. Bei chronischer Herzinsuffizienz nimmt die Leistung des Herzens so weit ab, dass nicht mehr genügend Blut − und damit Sauerstoff sowie Nährstoffe − zu Organen wie Gehirn, Nieren oder Muskeln gelangen. Die Erkrankung ist weit verbreitet: Laut der Deutschen Herzstiftung leiden inzwischen rund vier Millionen Menschen in Deutschland an Herzschwäche. Herzinsuffizienz ist der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen und eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Jede*r zehnte Patient*in ist über 70 Jahre alt.

Mit Blick auf den Weltherztag am 29. September spricht Marion Stephan, Herzinsuffizienz-Schwester am MEDICLIN Herzzentrum Coswig, über dieses wichtige Thema im Interview.

Wie wird Herzinsuffizienz am MEDICLIN Herzzentrum Coswig behandelt?

Schwester Marion: Die Diagnose erschlägt viele Patient*innen. Nicht selten ändert sich der bisherige Alltag. Es ist eine tödlich verlaufende Erkrankung, die individuell und ursächlich behandelt werden muss. Eine optimale Behandlung setzt ein multidisziplinäres Team voraus. Unser Herzinsuffizienz-Team in Coswig besteht aus meiner Kollegin Wencke Szolnoki, Chefarzt Dr. Robert Flieger und Oberarzt Dr. Jochen Hahn sowie den Ärzt*innen Olga Fuchs und Sharma Rao Pagadala. Entscheidend für unsere Arbeit ist die Information und Kooperation aller Ärzt*innen, Pflegekräfte, Physio- und Psychotherapeut*innen sowie aller weiteren beteiligten Personen der Sozialdienste, der ambulanten Versorgungseinheiten, der Palliativkliniken oder des Hospiz.

Wie können Sie den Patient*innen helfen und wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?

Schwester Marion: Meine Kolleg*innen und ich sind speziell ausgebildete Pflegeexpert*innen für Herzinsuffizienz. Wir beraten unsere Patient*innen individuell und möchten gemeinsam im Team die bestmögliche Therapie für unsere Patient*innen erreichen. Meine langjährigen Erfahrungen und zusätzlichen Qualifikationen machen es möglich, Befunde zu verstehen und sie den Patient*innen vereinfacht zu erklären. Wir haben die Möglichkeit, individuell über die Ursache und Therapiemöglichkeiten zu sprechen. Ziel ist es, die Patient*innen gut zu informieren, Fragen zu beantworten, Ängste zu nehmen und ggf. mit den Angehörigen zu sprechen.

Warum ist Ihnen diese Aufgabe so wichtig?

Schwester Marion: Weil die Versorgung und der nötige Zeitaufwand für diese Patient*innen noch optimierungsbedürftig sind. Die Medizin unterliegt einem immer stärker werdenden Leistungsdruck besonders in Richtung Wirtschaftlichkeit. Der Personalmangel in der Pflege und im ärztlichen Bereich nimmt zu. Die Behandlung von Patient*innen mit komplexen Erkrankungen ist aufwändig und benötigt immer mehr Spezialist*innen. Leider steht für zusätzliche aufklärende Gespräche nicht immer ausreichend Zeit zur Verfügung. Aber aufgeklärte Patient*innen sind es, die eher reagieren können, die Notwendigkeit bestimmter Therapien verstehen und ggf. auch die Notlage begreifen, in der sie sich befinden. Sie bekommen auf diese Weise eine Chance!

Viele Patient*innen benötigen längere Gespräche, um ihren Gesundheitszustand realisieren und verstehen zu können. Genau deshalb sind neben den Fachgesprächen mit unseren Spezialist*innen auch die pflegerischen und ärztlichen Arbeiten während des Stationsalltags so wichtig.

Die Arbeit des pflegerischen und ärztlichen Teams im Herzkatheterlabor und im OP ist sehr wichtig − doch diese bekommen die Patient*innen nur selten mit. Die meiste Zeit verbringen sie auf Station und haben Zeit, im Bett zu grübeln. Zahlreiche Fragen kommen auf. Wichtig ist, ihnen nett und kompetent zu begegnen, auch wenn manche Patient*innen vielleicht mürrisch oder unzufrieden erscheinen. Dies ist oftmals nur ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Verzweiflung. Unsere Patient*innen sind immer mehr als nur ein Fall: Es stehen immer Lebensgeschichten dahinter. Sie sind nicht nur Patient*innen, sondern auch Freund*innen, Großeltern, Eltern oder Kinder.

Demnächst steht die Zertifizierung der Herzinsuffizienz im MEDICLIN Herzzentrum Coswig an, die wegen Corona leider bereits mehrfach abgesagt werden musste. Dies ist sicher ein großer Meilenstein in der Versorgung und der Betreuung der Patient*innen in der Region und auch über Landesgrenzen hinaus. Was bedeutet das für Ihr Haus und Ihre Tätigkeit?

Schwester Marion: Eine medizinisch spezialisierte Klinik sollte auch darauf spezialisiert sein, sich um die Bedürfnisse der Patient*innen zu kümmern. Die Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) prüft dies. Die Zertifizierung ist das eine Ziel, aber weitere Herausforderungen zur Verbesserung der Versorgungsstruktur stehen auch nach der Zertifizierung an.

Gibt es einen Moment in Ihrer Tätigkeit, der Ihnen – ob gut oder schlecht – in Erinnerung geblieben ist?

Schwester Marion: Es gibt einige Beispiele, die mir immer im Kopf bleiben werden − gute wie auch negative Krankheitsverläufe. Sie veranlassen mich, weiterzumachen und gewissenhaft zu überprüfen, was verbessert werden könnte. Welchen Herausforderungen müssen sich zukünftige Patient*innen stellen? Wie können wir sie dabei noch besser unterstützen?

Eine Kollegin sagte einmal: „An Palliativmedizin sollte mit der Diagnose einer tödlich verlaufenden Krankheit wie Herzinsuffizienz schon gedacht werden.“ So ein Satz bleibt im Gedächtnis. Dieses Thema kommt auch immer wieder in unserem monatlichen Onlinestammtisch der Bundesarbeitsgemeinschaft für Pflegefachleute Herzinsuffizienz auf. Dort stellen deutschlandweit Herzinsuffizienz-Expert*innen Patientenbeispiele vor.

Sehr gerne erinnere ich mich an Patient*innen, die die Chance auf ein neues Herz oder ein Kunstherz bekamen, und an Therapieerfolge wie zum Beispiel eine gesteigerte Lebensqualität der Patient*innen durch eine verbesserte Herzleistung. Vor allen Dingen bleibt eines in guter Erinnerung: die Dankbarkeit der Patient*innen und ihrer Angehörigen!