Klinik für Neurologie in Bayreuth sucht Patientinnen und Patienten für Alzheimer-Studie Prof. Dr. Patrick Oschmann: “Große Chance für Betroffene.”

Lässt sich Alzheimer aufhalten?

Noch klingt es wie Zukunftsmusik. Der Weg, den die Wissenschaft beschritten hat, ist zwar lang, hat aber gute Aussichten, zum Ziel zu führen. So sieht das Prof. Dr. Patrick Oschmann, Direktor der Klinik für Neurologie der Klinikum Bayreuth GmbH. An der Betriebsstätte Klinik Hohe Warte ist eines von nur acht deutschen Forschungszentren, an denen in den kommenden beiden Jahren eine europaweite Bestätigungsstudie für ein neuartiges Alzheimer-Medikament läuft. Dass es wirken kann, haben vorausgegangene Studien in Ansätzen bereits gezeigt. Die aktuelle Studie soll nun klären, ob die Wirkung durch eine erhöhte Dosierung verbessert werden kann. Und für eben diese Studie suchen Prof. Oschmann und sein Team in Bayreuth noch bis zum Jahresende Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Was ist Alzheimer?

Alzheimer ist eine neurodegenerative Erkrankung und die häufigste Demenz-Form. Die macht ca. 50 Prozent aller Demenzerkrankungen aus und entsteht, wenn sich Gehirnzellen selbst vergiften. Das vermehr produzierte Eiweiß Beta-Amyloid wird nicht mehr abtransportiert und lagert sich in den Zellen ein. Diese reagieren auf die Fremdkörper, wie es der Körper an anderer Stelle auch tun würde: Es kommt zu einer Entzündungsreaktion, die die Gehirnzellen schädigt. Nach und nach sterben Nervenzellen im Gehirn ab. Nervenzelltod nennt es die Medizin.

Lässt sich Alzheimer aufhalten?

Stand heute lässt sich eine Alzheimer-Demenz nicht aufhalten oder gar heilen. Bisher in Europa zugelassene Medikamente zielen auf eine Behandlung der Symptome ab und nicht darauf, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen. Allerdings tut sich in der Forschung viel: In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Studien zu drei Medikamenten durchgeführt, die erstmals an der Ursache von Alzheimer ansetzen. Sie sollen die schädigenden Eiweißablagerungen im Gehirn, die Alzheimer auslösen können, abbauen. Die Studien, die in der USA und in Europa durchgeführt wurden, zeigten: Der Prozess funktioniert. Allerdings seien Effekte nur in frühen Krankheitsstadien zu erwarten, erklärt Prof. Oschmann. Bei Patientinnen und Patienten also, die in ihrem Alltag zwar bereits Einschränkungen spüren, ihn aber noch weitestgehend alleine bewältigen können.

Was wird im Rahmen der aktuellen Studie getestet?

Es handelt sich um eine Bestätigungsstudie. Bereits im Jahr 2019 hat die erste Studie zu dem Medikament, die in Europa durchgeführt wurde, gezeigt: In einem frühen Erkrankungsstadium bestimmte Eiweiß-Ablagerungen abzutransportieren. Nicht bei allen Patienteninnen und Patienten und nicht immer in gleicher Weise, doch aber bei einer signifikanten Zahl. Allerdings hatte eine parallel in den USA durchgeführte Studie nicht den gleichen Erfolg gebracht. Die Ursache vermuten Wissenschaftler in der Höhe der Dosierung. “In Europa wurde das Medikament höher dosiert, die Erfolge waren besser. Nun soll eine weitere Studie klären, ob eine angepasste Dosis tatsächlich eine signifikant höhere Wirksamkeit erzielen kann”, sagt Oschmann. Für diese Studie nehmen Prof. Oschmann und sein Team gerade Patientinnen und Patienten auf. “Betroffene sollten diese Chance wahrnehmen”, rät Oschmann. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind laut bisheriger Erfahrungen nicht zu erwarten.

Für Patientinnen und Patienten, die bereits an Alzheimer leiden, wenn auch in einem sehr frühen Stadium, ist die Studie damit die derzeit beste Chance, ein Medikament zu erhalten, das eine realistische Aussicht bietet, Alzheimer in seiner Ursache zu behandeln”, sagt Oschmann.

Wie wirkt das Medikament?

Das Studien-Medikament wirkt proteinbezogen. Es ist in der Lage, ein bestimmtes Eiweiß zu erkennen, das Beta-Amyloid, und dessen Abbau zu fördern. Dieses ist zwar nicht das einzige, aber einer der häufigsten Eiweiß-Komplexe, die für die Alzheimer-Erkrankung ursächlich sein können. “Aus diesem Grund muss bereits die Auswahl der Studienteilnehmer gewissenhaft erfolgen”, sagt Prof. Oschmann. Durch bildgebende Verfahren, wie sie am Klinikum Bayreuth in der Klinik für Nuklearmedizin möglich sind, lässt sich die Ablagerung von Beta-Amyloid nachweisen. “Dieser Nachweis ist im Vorfeld unerlässlich.”

Wer kann an der Studie teilnehmen? Zusätzlich zu einem zweifelsfreien Nachweis von Amyloid-Ablagerungen, müssen für die Studienteilnahme weitere Kriterien erfüllt sein. Die Wesentlichen sind:

  • Betroffene müssen zwischen 60 und 85 Jahren alt sein.
  • Die Alzheimer-Erkrankung muss sich in einem frühen Stadium befinden. Es sollen leichte kognitive Einschränkungen spürbar sein, der Alltag muss aber noch weitestgehend alleine bewältigt werden können.
  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer brauchen eine engagierte Angehörige oder einen engagierten Angehörigen, der bereit ist, die Studienteilnahme zu betreuen und zu unterstützen.

Eine Studienteilnahme ist nicht möglich, wenn:

  • in den vergangenen zwölf Monaten ein Hirninfarkt, eine Hirnblutung, oder Bewusstlosigkeit bekannt sind.
  • die Patientin oder der Patient in den vergangenen zehn Jahren Krampfanfälle oder epileptische Anfälle hatte.
  • (aus der Vergangenheit) Krebserkrankungen bekannt sind, oder Chemotherapien stattgefunden haben. Eventuelle Ausnahmen wären mit den betreuenden Studienärzten abzustimmen.
  • blutverdünnende Medikamente eingenommen werden müssen, beispielsweise Marcumar.

Weitere Kriterien können Interessierte direkt mit den Mitarbeitern im Studienzentrum der Klinik für Neurologie besprechen.

Wie läuft die Studie ab?

Im Vorfeld einer möglichen Studienteilname sind verschiedene diagnostische Untersuchungen notwendig: körperliche und neurologische Untersuchung, Untersuchung des Blutes und Urins, EKG (Elektrokardiogramm), bildgebende Verfahren vom Kopf und Test zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten (Gedächtnis, Sprache, logisches Denken und Wahrnehmung). Dies ist notwendig, um die Eignung für eine Teilnahme an der Studie zu überprüfen. Dieses Auswahlverfahren dauert etwa acht Wochen. Während des anschließenden des Behandlungszeitraums erhalten zwei Drittel der ausgewählten Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zwei Jahre lang das Medikament in vierwöchigem Rhythmus als Infusion. Ein Drittel erhält ein Placebo. Während dieser zwei Jahre findet eine engmaschige Betreuung mit umfangreicher Dokumentation statt. Patientinnen und Patienten müssen also bereit sein, in regelmäßigen Abständen in die Klinik zu kommen. Bei bestimmten Untersuchungsterminen ist die Begleitung durch den Studienpartner oder die Studienpartnerin erforderlich. An den Behandlungszeitraum schließt sich noch einmal eine 18-wöchige Nachbeobachtungsphase an.

Einordnung – Zukunftsmusik Um zu verstehen, was gerade im Bereich der Alzheimer-Forschung passiert, lohnt sich ein Blick über den Tellerrand. “Vor 20 Jahren stand man in der Behandlung von Multipler Sklerose vor einer ähnlichen Situation”, sagt Prof. Oschmann. “Drei Medikamente, jeweils mit einer Erfolgsaussicht von rund 35 Prozent, bezogen auf die Reduzierung der Schubrate.” Bei genauerer Betrachtung hatte sich herausgestellt, dass es sich dabei um Durchschnittswerte handelte. “Die Medikamente wirkten nicht bei jeder Person zu 35 Prozent, sondern es gab Betroffene, bei denen die Medikamente nicht anschlugen. Es gab aber auch eine Gruppe von MS-Patienten, bei denen sie durchschlagende Wirkung zeigten und die Erkrankung zum Stillstand brachten.” Ähnliches wird auch im Bereich der Alzheimer-Forschung vermutet. Dass die Medikamente wirken, ist bewiesen. In den kommenden Jahren wird es vorrangig darum gehen, herauszufinden, in welchen Fällen die Medikamente anschlagen und in welchen nicht – und wie sich die Medikamente verändern lassen, um auch bei anderen Patientengruppen ähnliche Erfolge zu erzielen. In der Behandlung von Multipler Sklerose ist das geglückt: “Wir haben heute eine Vielzahl von Medikamenten zur Verfügung, die es uns ermöglichen, für sehr viele Patientinnen und Patienten das passende Präparat zu finden – und die Erkrankung zum Stillstand zu bringen. MS-Betroffene sind zwar ihr Leben lang auf Behandlung angewiesen, leben heute aber mit der Erkrankung wesentlich besser als früher. Das erhoffen wir uns auch für Alzheimer-Betroffene.”

Kontakt:

Studienzentrum Neurologie Klinik Hohe Warte

Hohe Warte 8

Telefonisch (Mo – Fr von 9.00 bis 12.00 Uhr)

E-Mail: studienzentrum.neurologie@klinikum-bayreuth.de

Ausführliche Informationen finden Sie auf der Homepage der Klinikum Bayreuth GmbH: www.klinikum-bayreuth.de

Direktlink zum Artikel: klinikum-bayreuth.de/aktuell/news/artikel/neurologie-sucht-patientinnen-und-patienten-fuer-alzheimer-studie

Xenia Pusch Stellvertretende Leiterin Unternehmenskommunikation

Klinikum Bayreuth GmbH Preuschwitzer Straße 101 95445 Bayreuth

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