Bochum (lwl). Von der Corona-Pandemie, über die Flutkatastrophe im Ahrtal bis zum Krieg in der Ukraine – eine Krise folgt der nächsten. Diesen Eindruck haben aktuell viele Menschen, wenn sie den Fernseher anschalten, die Zeitung lesen oder auf den sozialen Medien unterwegs sind. Welchen Einfluss hat diese Welle an überwiegend schlechten Nachrichten auf die psychische Gesundheit? Im Interview spricht Dr. Andreas Ebert, Oberarzt im Behandlungsbereich Affektive Störungen im LWL-Universitätsklinikum Bochum, über einen guten Umgang mit schlechten Nachrichten.

Herr Dr. Ebert sagen Sie es bitte direkt: Geht es der Welt so schlecht, wie es den Eindruck macht? Oder bewerten wir die Situation schlechter, als sie tatsächlich ist?
Dr. Andreas Ebert: Objektiv betrachtet, geht es den Menschen weltweit besser als früher. Wissenschaftliche Daten zeigen, dass heutzutage beispielsweise weniger Menschen in extremer Armut leben als noch vor einigen Jahren. Auch haben mehr Menschen einen besseren Zugang zu Schulbildung oder medizinischer Versorgung. Daran lässt sich ablesen, dass es den Menschen weltweit insgesamt nicht so schlecht geht, wie wir oft meinen. Fairer Weise muss man aber sagen, dass es immer noch sehr viele Menschen gibt, die in extremer Armut leben oder denen es auf andere Weise nicht gut geht. Aus unserem Blickwinkel hier in Mittel- und Westeuropa gesehen, haben wir in den letzten Jahren zudem auch einige Krisen und Veränderungen erlebt, die uns vor neue Herausforderungen gestellt haben. Daher kann man das alles nicht so abtun und sagen “Okay, es hat sich alles gut entwickelt.”

Welchen Einfluss haben die Medien dabei auf unsere Wahrnehmung?
Ebert: In den Nachrichtensendungen sehen wir natürlich überwiegend schlechte Nachrichten, beziehungsweise solche, die wir als schlecht bewerten und bekommen im Vergleich zu wenig positive Nachrichten. Generell würde ich das aber nicht hauptsächlich den Medien vorwerfen – es ist nun einmal deren Aufgabe zu zeigen, was passiert und auch die Probleme in der Welt aufzuzeigen. Die Gefahr dabei ist, dass wir uns nur noch mit den Problemen beschäftigt und nicht mehr die guten Dinge um uns herum wahrnehmen.
Unser Gehirn ist eher als “Problemlösungsmaschine” ausgerichtet, daher macht es evolutionär gesehen Sinn, dass wir uns mit Schwierigkeiten auseinandersetzen und nach Lösungen suchen. Auf viele in den Nachrichten gezeigte Probleme haben wir aber keinen direkten Einfluss.

Kann das – gerade in Krisenzeiten – einen negativen Einfluss auf unsere psychische Gesundheit haben?
Ebert: Das beeinflusst natürlich unsere Stimmung und die Gedanken, die wir uns darum machen. Schlechte Nachrichten müssen aber nicht direkt einen Einfluss auf die psychische Gesundheit haben. Wenn allerdings jemand schon etwas sensibilisiert dafür ist und beispielsweise zu Depressionen oder vermehrt zu Ängsten neigt, ist das Risiko höher, dass diese Nachrichten belasten. Eine große Rolle spielt auch, dass wir auf die aktuellen Krisen wenig direkten Einfluss haben. Dadurch fühlt man sich schnell hilflos und ist unsicher.

Wie können wir mit dieser gefühlten Hilflosigkeit umgehen?
Ebert: Das Wichtigste ist, dass man die Hilflosigkeit und Unsicherheit akzeptiert. Wir alle können Unsicherheit und Hilflosigkeit nur schwer ertragen und wünschen uns Sicherheit, ein “Es ist alles okay”-Gefühl. Leider gehören Unsicherheiten einfach zum Leben und man muss lernen, eine gewisse Angst und Ungewissheit zu akzeptieren. Auf der anderen Seite kann man auch etwas tun, um nicht komplett hilflos zu sein. Zum Beispiel indem man im Impfzentrum hilft, Spenden sammelt oder Flüchtlinge aufnimmt. Das Engagement muss aber auch gar nichts mit der jeweiligen Krise zu tun haben. Der eigenen Gesundheit hilft alles, was mit den persönlichen Werten übereinstimmt und was ich aktiv tue.

Pressekontakt:
Thorsten Fechtner, LWL-Pressestelle, presse@lwl.org

 


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