Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) informiert:

Die Folgen der Flut für die Psyche
Soziale Unterstützung hilft bei der Verarbeitung des Erlebten

Marsberg (lwl). Die Zerstörung des eigenen Zuhauses, der Verlust von Angehörigen oder Freunden – während der Flutkatastrophe haben viele Menschen völlige Machtlosigkeit erlebt. Wolfgang Heiler, leitender Notfallpsychologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und leitender Psychologe der LWL-Institutsambulanz Marsberg, warnt vor den psychischen Folgen, die solche Erlebnisse haben und erklärt, wo Betroffene Hilfe finden.

Gegenwärtig seien die meisten Menschen noch damit beschäftigt aufzuräumen und sich einen Überblick über die Verluste ihres Hab und Guts zu verschaffen. “Zusätzlich kümmern sich die Betroffenen darum, wie sie ihre Grundbedürfnisse absichern können”, so Heiler. “Notwendige Hilfen müssen beantragt und Schäden angezeigt werden. Spätestens wenn diese Arbeiten an Dringlichkeit verlieren, werden die psychischen Auswirkungen des Erlebten spürbar.”

Der massive Kontrollverlust führe zu Hilflosigkeit und Ohnmacht. “Als Folge davon können bei vielen Betroffenen in den ersten Tagen und Wochen nach der Flutkatastrophe körperliche und psychische Belastungsreaktionen auftreten”, warnt Heiler. “Zu den möglichen Symptomen gehören unter anderem Herzrasen, Unruhezustände, Gereiztheit oder erhöhte Ängstlichkeit.” Wiederkehrende Bilder des Erlebten könnten ebenso vorkommen wie innere Leere oder sozialer Rückzug. “Solche Symptome werden häufig als verunsichernd und irritierend wahrgenommen.” Dabei seien sie normale und nachvollziehbare Reaktionen. “In solchen Fällen hilft die professionelle Unterstützung durch Notfallseelsorger:innen oder Notfallpsychotherapeut:innen”, sagt Heiler.

Insbesondere das Erleben von sozialer Unterstützung begünstige eine gesunde Verarbeitung des Erlebten. “Neben dem Verstehen der eigenen Reaktionen ist es oft hilfreich, selbst wieder ein Mindestmaß an Kontrolle zu erfahren”, betont der Experte. “So kann das Aufräumen, Reparieren und Ordnen dem Erleben der eigenen Ohnmacht entgegenwirken.”

Bei etwa 20 bis 30 Prozent der Menschen, die eine Naturkatastrophe erlebt haben, sei ein erhöhtes Risiko zu beobachten, dass sie eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. “Für die Betroffenen der Flutkatastrophe wird die Konfrontation mit den Schreckensbildern noch lange anhalten. Neue Belastungen können dazu kommen, beispielsweise durch die Bedrohung der materiellen Existenz”, sagt Heiler.

Für individuelle Unterstützung können sich Betroffene an die LWL-Traumaambulanzen an den Standorten Hemer, Iserlohn, Plettenberg, Dortmund und Bochum wenden. “Die Psychotherapeutische Notfallversorgung des LWL plant, zusätzliche Angebote in den betroffenen Städten anzubieten”, so der leitende LWL-Notfallpsychologe. “Dies geschieht in enger Abstimmung mit den zuständigen Verwaltungen und Krisenstäben vor Ort. Über weitere Maßnahmen und Angebote werden wir zeitnah informieren.”

Hintergrund: LWL-Traumaambulanzen
Der LWL betreibt ein Netz von 19 Traumaambulanzen in Westfalen-Lippe. Dort halten sich ärztliche und psychologische Fachleute bereit. Sie leisten spezialisierte therapeutische Unterstützung bei Traumatisierung in Folge von so genannten Großschadenereignissen.

Pressekontakt:
Hannah Pöppelmann-Reichelt, LWL-Pressestelle und Julia Hollwedel, LWL-Klinik Marsberg.

 


Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 18.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.