Respektvolle Verwahrung der Schädelsammlung der Anatomie
Im Depot des Instituts für Anatomie der Unimedizin Rostock werden die Schädel umgelagert
Rostock – Es sieht aus wie ein Umzug, ist aber Teil eines Forschungsprojekts. In der anatomischen Sammlung der Universitätsmedizin Rostock verpacken die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Anna-Maria Begerock und die Sammlungsbeauftragte Laura Hiepe die umfangreiche Schädelsammlung des Instituts für Anatomie. Seit dem 17. Jahrhundert wurde die Sammlung des Instituts stetig erweitert. Nicht nur Feuchtpräparate von menschlichen Organen, sondern auch Schädel kamen in die Vitrinen der Lehrsammlung. 1872 legte der Anatom Friedrich Merkel eine „Racen-Schädelsammlung” an, die 1915 um Schädel aus den deutschen Kolonien erweitert wurde. Die Sammlung umfasst heute 40 Schädel aus Mecklenburg, 30 aus verschiedenen Ländern Europas und 40 außereuropäischer Herkunft.
Die außereuropäischen Präparate, 14 Gipsabgüsse und eine chilenische Mumie erforscht die Expertin für Provenienzen menschlicher Überreste Begerock in einem vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste geförderten Projekt. Sie recherchiert, wo die Schädel ihren Ursprung haben und wie sie in die Sammlung kamen. Es geht um folgende Fragen: Woher stammten sie, sind sie an einer Krankheit oder Gewalteinwirkung gestorben, wurden sie einst begraben? Kommen Teile der Sammlung aus ehemaligen Kolonialgebieten und wurden sie unrechtmäßig erworben? „Unser Forschungsprojekt umfasst zwar nur die außereuropäischen menschlichen Schädel, aber zukünftig möchte der Arbeitsbereich auch den europäischen und den Mecklenburger Schädeln mehr Aufmerksamkeit schenken”, sagt die Forscherin. Angedacht ist eine Sonderausstellung, die die Herkunft der menschlichen Überreste und den Umgang mit Toten in fremden Kulturen in den Mittelpunkt rückt.
Nicht alle Schädel befinden sich in den Vitrinen der anatomischen Schausammlung. Für die angemessene Aufbewahrung hat das Institut für Anatomiespezielle Archivkartons geordert. „Wir greifen auf Erfahrungen anderer großer Universitätssammlungen zurück, beispielsweise in Freiburg und Berlin”, sagt Institutsdirektor Prof. Dr. Markus Kipp. Die Kartons sind witterungsbeständig, lichtundurchlässig, formstabil, ungezieferabweisend und für die Größe von Schädeln entwickelt. Prof. Dr. Ekkehardt Kumbier, Leiter des Arbeitsbereiches Geschichte der Medizin, ergänzt: „Sollten die Herkunftsgesellschaften wie unter anderem Namibia oder Neuseeland eine Rückführung wünschen, so wären die Boxen zugleich eine angemessene Übergabeform.” In den Archivkartons werden nun die Schädel im Depot sowie vorübergehend auch die Schädel gelagert, die momentan noch in den Vitrinen präsentiert werden. Die historischen Vitrinen werden restauriert und stehen dann für eine neue Ausstellung zur Verfügung.
Einige der menschlichen Überreste der sogenannten „Racen-Schädelsammlung” werden aus ethischen Gründen zukünftig nicht mehr in den öffentlichen Vitrinen der Schausammlung präsentiert. „Menschliche Überreste als Souvenir von wissenschaftlichen Reisen mitzubringen und dann auch auszustellen, war früher durchaus normal, Dies ist heute nicht mehr akzeptabel”, sagt die Ethnologin Begerock.
Nur im Verborgenen verwahrt werden die menschlichen Überreste aber nicht. „Denn die Schädelsammlung ist nicht nur Teil einer Ausstellung, sondern dient auch der Lehre”, sagt Institutsdirektor Prof. Dr. Markus Kipp. „Die Ausbildung von Anthropologen funktioniere nicht mit Nachbildungen aus Plastik, sondern nur am Original”, ergänzt Begerock. Knochengewicht, Oberflächenbeschaffung, Lichtdurchlässigkeit, Zahnstatus und vieles mehr geben Auskunft über mögliche Krankheiten und Todesursachen.
Mehr Informationen zur Provenienzforschung an der Universitätsmedizin Rostock: https://www.med.uni-rostock.de/medien/pressemitteilungen/aktuelles/news/der-mensch-hinter-dem-praeparat
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