Kiel, 12. März 2021

Ein Wirkstoff kann nur etwas ausrichten, wenn er auch dorthin gelangt, wo er wirken soll. In der Gentherapie werden daher Therapeutika, die „defekte“ Gene ersetzen oder reparieren sollen, mithilfe von Viruspartikeln, sogenannten viralen Vektoren, an den Zielort geschleust. Prof. Dr. Oliver J. Müller, Bereichsleiter Angiologie der Klinik für Innere Medizin III mit den Schwerpunkten Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, und Professor für Translationale Kardiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), erhält nun bei zwei Projekten die Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), bei denen es um die Verbesserung dieses Gentransfers geht – und um neue Behandlungsoptionen bei Muskel-, Krebs- und Herz-Erkrankungen.

So fördert das BMBF mit einer Gesamtsumme von 1,9 Millionen Euro das Verbundvorhaben COMMUTE, an dem neben dem UKSH auch Teams vier weiterer Kliniken und Forschungseinrichtungen beteiligt sind. Das Kieler Teilprojekt „Wirkstofftransport: Kombinatorisches und multidisziplinäres Targeting von effektiven Gentherapie-Vektoren“ erhält dabei eine Zuwendung von 359.434 Euro für die Dauer von drei Jahren. Ziel von COMMUTE ist es, passgenaue Viren-Vektoren für die Gentherapie von bösartigen Hirntumoren (Glioblastomen) und Muskeldystrophien zu entwickeln. Letztere sind Erbkrankheiten, bei denen es zu einem fortschreitenden Verlust von Muskelgewebe kommt, auch der Atem- und Herzmuskulatur.

Das Team um Prof. Müller konzentriert sich dabei auf die Veränderung der Oberfläche von Vektoren, damit sie effektiv und sicher in das Muskelgewebe und Nervensystem gelangen, zwei Ziele, an denen Gentherapeutika bislang nur erschwert ansetzen konnten. Als Vektoren werden sogenannte Adeno-assoziierte Viren (AAV) verwendet, die auch in bereits zugelassenen Medikamenten zum Einsatz kommen. Außerdem untersucht die Arbeitsgruppe im Rahmen von COMMUTE optimierte AAV-Vektoren zur Gentherapie der Duchenne-Muskeldystrophie, der häufigsten muskulären Erbkrankheit im Kindesalter.

Gefördert vom BMBF wird außerdem ein von Prof. Müller koordiniertes Vorhaben, bei dem das UKSH mit dem Universitätsklinikum Heidelberg kooperiert. Ziel ist die Entwicklung einer neuen Therapieoption für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz. Von der Gesamtfördersumme von 542.000 Euro entfallen 279.000 Euro auf die Arbeitsgruppe um Prof. Müller sowie auf Prof. Dr. Astrid Dempfle, stellvertretende Direktorin des Instituts für Medizinische Informatik und Statistik des UKSH, Campus Kiel, und der CAU. Prof. Dempfle hat für dieses Vorhaben ein innovatives biostatistisches Konzept entwickelt.

Das Team hat eine Zielstruktur im Herzen gefunden, an der eine Gentherapie ansetzen könnte: ein Enzym, das offenbar entscheidend an krankhaften Stoffwechselveränderungen im Herzmuskelgewebe beteiligt ist. Belegt werden soll die Wirksamkeit dieses Therapieansatzes – wie auch die Eignung von AAV-Vektoren, die die DNA-Sequenzen in die Herzmuskelzellen transportieren, um auf molekularer Ebene die Schlüsseldefekte der Erkrankung zu beheben.

Die Herzinsuffizienz ist eine sehr häufige und schwere Erkrankung, die noch nicht vollständig verstanden ist. Im fortgeschrittenen Stadium sind die therapeutischen Möglichkeiten bislang begrenzt. Standard-Therapien können das geschwächte Herz nur entlasten und Beschwerden wie Kurzatmigkeit oder chronische Müdigkeit lindern.

Prof. Müller leitet die vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung geförderte Arbeitsgruppe „Translationale Kardiologie“ der Klinik für Innere Medizin III (komm. Direktor: Prof. Dr. Derk Frank) am Campus Kiel. Seit über 20 Jahren gehört die Verbesserung von Gentherapien durch optimierte virale Vektoren zu seinen Schwerpunkten. Ein Ziel seiner Arbeitsgruppe ist die schnelle und effiziente Umsetzung präklinischer Forschung in die klinische Entwicklung zum Nutzen von Patientinnen und Patienten.

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